//Adieu, Herbert Linge

Adieu, Herbert Linge

Die Porsche-Welt trauert um ihren Mann der ersten Stunde.

Im Alter von erfüllten 95 Jahren hat das Herz vom Porsche-Urgestein Herbert Linge am 5. Januar 2024 endgültig aufgehört zu schlagen. Linge verkörperte den perfekten Allrounder auf dem Gebiet des Automobils, des Rennfahrens und der epochalen Zugehörigkeit zum Haus Porsche und der Geburtsstätte des 356. Der Verband der Motorjournalisten (VdM) erinnert an den großartigen Fachmann und Könner.

Seine berufliche Karriere startete Herbert Linge, der am 11. Juni 1928 geboren wurde, bereits im jungen Alter von nur 14 Jahren am 7. April 1943, als er seinen ersten Firmen-Ausweis erhielt. Rund sechs Jahre später und nach absolvierten Lehrzeit, wurde Linge der erste Porsche-Automechaniker, als der Autobauer von Österreich nach Stuttgart umsiedelte. Der quirlige Herbert Linge wurde in die Entwicklung des Typs 356 einbezogen und unterzog vor der Übergabe jedes neu produzierten Fahrzeugs an den jeweiligen Käufer, den Wagen zu einer ihm eigenen Probefahrt. Das Vertrauen in Herbert Linge wurde immer grösser und man vertraute ihm den Aufbau eines Netzwerks für Porsche-Kunden in den USA an. Sein überaus großes technisches Wissen und sein überdurchschnittliches Fahrertalent ließen ihn alsbald auch als erfolgreichen Rennfahrer bekannt werden. Linge ist auch einer der wenigen Zeitzeugen, die den Firmenpatriarch Ferdinand Porsche, den Großvater des heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden der Porsche AG, Dr. Wolfgang Porsche, noch persönlich kennengelernt haben.

Neben seinen Werkseinsätzen bei Rennen rund um den Globus, erhielt Linge auch als Copilot wachender Mechaniker bei drei Veranstaltungen der „Panamericana“ in Mexico (1952 – 1954) den mexikanischen Verdienstorden verliehen. Sein Horrorerlebnis hatte Linge als Beifahrer von Hans Herrmann in einem offenen 550 Spyder anlässlich der „Mille Miglia“ 1954.  Um keine Zeit zu verlieren, fuhr Hans Herrmann kurzerhand unter der Schranke durch. Beide Piloten mussten sich auf die Sitze ducken, um mit kleinen Schrammen die Hürde zu durchfahren. Im weiteren Verlauf der Zeit, freundete sich Linge mit seinem damaligen Rennfahrerkollegen Paul-Ernst Strähle († 27. Oktober 2010) aus Schorndorf durch die Rennfahrerei sehr eng an. Die beiden errangen als Duo große Anerkennung und siegten bei vielen internationalen Langstrecken-Rennen. Auch die Familien wurden in diese Verbindung einbezogen und die Freundschaft zwischen Herbert, seiner Gattin Liselotte, genannt ‚Lilo‘, und der Familie von P. E. Strähle, hielt bis zum Tod Strähles an. 1965 fuhr Herbert Linge gemeinsam mit dem späteren Porsche Rennleiter Peter Falk mit einem Porsche 911 auf Platz fünf bei der Rallye Monte Carlo – der erste große Motorsporterfolg für den noch jungen Elfer.

Für den legendären, erfolgreichen Kinofilm „Le Mans“ saß Linge am Steuer eines Porsche 917 Rennboliden und doubelte dabei auch Steve McQueen, der aus versicherungstechnischen Gründen nicht selbst am Rennen teilnehmen durfte, obwohl er dafür prädestiniert gewesen wäre. Zudem nahm Linge 1970 beim „24 Stunden-Rennen von Le Mans“ mit einem speziell für Filmaufnahmen während des Rennens ausgerüsteten 908 teil.  

Ein ganz besonderes Anliegen war Herbert Linge die Sicherheit der Rennfahrer auf den Rennstrecken. Mit Hilfe der Obersten Nationalen Sportkommission für Automobilsport (ONS) und Unterstützung der deutschen Automobilindustrie kreierte er 1972 die ONS-Sicherheitsstaffel und rettete dadurch viele Fahrer bei Unfällen. Für dieses Engagement wurde Linge rund zehn Jahre später das Bundesverdienstkreuz verliehen. Der erste ONS-Wagen war ein Porsche des Typs 914/6 GT, der bei der „Monte Carlo Rallye“ 1971 zum Einsatz kam und wurde auf Grund der verbauten Feuerlöschanlage und weiteren Sicherheits-Features, die „schnellste Feuerwehr der Welt“ genannt.

Seit 1987 bereits im wohlverdienten Ruhestand sich befindend, rief Linge 1990 den Porsche Carrera Cup als Nachfolgeserie des 944 Turbo Cups ins Leben, dem er auch noch lange Zeit als Cup-Chef vorstand. Als Pensionär blieb er dem Porsche-Motorsport treu. Linge schlug seinerzeit in den 1950ern auch dem Porsche-Vorstand vor, das geplante Testgelände mit Entwicklungszentrum in der Gemeinde Weissach, wo er auch zwischenzeitlich zum Ehrenbürger ernannt wurde, zu errichten, wo er viele Jahre lang als Betriebsleiter in der Verantwortung stand. Im ‚Unruhestand‘ war er stets als Markenbotschafter bei Messen sowie anderen Veranstaltungen präsent und plauderte sehr zur Freude der Zuhörer gerne aus dem Porsche-Nähkästchen.

„Die Nachricht über seinen Tod macht uns traurig. Herbert Linge war nicht nur ein Porsche-Mann der ersten Stunde, sondern auch ein Wegbegleiter über viele Jahrzehnte“, sagt Michael Steiner, Mitglied des Vorstandes Forschung und Entwicklung bei Porsche.

Lieber Herbert, wir behalten Dich stets in Erinnerung . . . . .

Text:      Eberhard Strähle
Fotos:   Eberhard Strähle, Archiv P. E. Strähle & Porsche AG