//Porsche-Werkstattgespräche mit Legenden und Anekdoten

Porsche-Werkstattgespräche mit Legenden und Anekdoten

Porsche ist der Automobilhersteller, der die vermutlich größte Fan-Gemeinde hat. Kaum ein Fahrzeugproduzent hat eine vergleichbare Vielfalt an markengebundenen Clubs. Während sich die regionalen Clubs meist den neueren Modellen und dem Lifestyle widmen, gibt es auch die sogenannten Gußeisernen, die sich den traditionellen Modellen verschrieben haben. Sie verehren nicht nur ihre alten Fahrzeuge mit Luftkühlung, sondern auch die Menschen, die diese Sportwagengenerationen geprägt haben.

Daher haben der Porsche 356 Club der Region Baden-Württemberg sowie der Porsche-Club für den klassischen 911 Südwest ihre Mitglieder Anfang August 2023, zu einem sogenannten „Werkstattgesprächen“ in den Wartungs- und Restaurationsbetrieb eines bekannten Oldtimer-Liebhaber in Schorndorf eingeladen. 

Vier ehemalige „Porschianer“, die beruflich ihre Leidenschaft ausleben durften, erzählten spannende und beeindruckende Anekdoten aus ihrem Berufsleben und rund 50 Fans hingen gebannt an ihren Lippen. Die frühere SWR-Moderatorin Bärbel Schlegel führte die Herren gekonnt durch den Fragendschungel und zeigte nebenbei mit einigen weiteren porsche-fahrenden Damen, dass Werkstattgespräche nicht nur etwas für die Männerwelt sind.

Zu dem Werkstattgespräch waren die folgenden ehemals leitenden Porsche-Mitarbeiter zusammengekommen, die alle mehrere Jahrzehnte für den Sportwagenhersteller aktiv waren:

  • Peter Falk, ehemaliger Entwicklungsleiter der Renn- und Sportfahrzeuge
  • Günter Steckkönig, Fahrwerks-Ingenieur und Reifenspezialist sowie Rennfahrer
  • Norbert Singer, Rennwagen-Entwickler und Renningenieur
  • Hans Clausecker, Fahrwerks-Ingenieur und Reifenspezialist sowie Rennfahrer

Obwohl alle vier als charismatische Porsche-Urgesteine gelten, brachte das Gespräch zu Tage, dass jeder auch mal „außerhausig“ unterwegs war. Peter Falk startete bei Mercedes, Norbert Singer bei Opel und Hans Clausecker bei VW. Günter Steckkönig begann sein Arbeitsleben zwar bei Porsche, doch er machte zwischendurch einen kurzen Abstecher zu Mercedes. Letztendlich hat keiner bereut, bei dem kleinen Sportwagenhersteller eingestiegen zu sein. Was sie unisono unter anderem darauf zurückführen, „dass wir, speziell im Motorsportbereich, viel mehr eine Familie als Arbeitskollegen waren“. Dazu gehörte, dass die Hierarchien flach und die Wege kurz waren. „Und wenn Teil beim Motorsport gefehlt hat, das in der Serie verfügbar war oder das man zumindest als Basis nutzen konnte, wurde einfach jemand rübergeschickt“ berichtet Norbert Singer über die früheren Logistikkonzepte. Günter Steckkönig ergänzte mit schelmischem Grinsen an seine Erinnerungen „wenn ich geschickt wurde, war mir klar, dass ich ohne das Bauteil nicht zurückkommen durfte; egal wie es angestellt habe. Und auf den Wegen habe ich immer schon überlegt, wie wir es noch besser machen können.“ 

Auch Peter Falk führt einen großen Teil des Erfolges von Porsche im Motorsport genau auf diese Arbeitsweise zurück. „Wir haben den Chefs zu Beginn erklärt, was wir im Motorsport machen möchten und was es der Firma bringt. Und wenn sie dann einmal überzeugt waren, haben Sie uns machen lassen; zumindest was die Familie Porsche und Louise Piech betraf. Ferdinand Piech, der spätere VW-Chef, war, insbesondere zu Zeiten des Porsche 917, ein bisschen anders. Er war stets vor Ort und hat immer eigene Ideen eingebracht“. Dieses Vertrauen in die Mannschaft hat auch Hans Clausecker motiviert. „Jeder hat das Spezialwissen der Kollegen respektiert und dennoch wurde auch jeder Verbesserungsvorschlag gemeinsam auf seine Erfolgschancen analysiert. Da gab kein ‚ich bin wichtiger als Du!‘ Es zählte nur das Ergebnis!“ Diese Aussage führt Norbert Singer direkt zur nächsten Anekdote. „Ich habe ja schon gesagt, dass wir wie in einer Familie waren. Aber haben Sie schon mal eine Familie gesehen, in der es nicht auch mal hoch hergeht? Das war bei uns auch so. Wir hatten da Einen; sagen wir mal ein Kerl mit richtigen Ecken, fürchterlichen Umgangsformen, aber auf seinem Arbeitsgebiet Spitze. Heute würden solche Kollegen aussortiert. In einer Familie gibt es das nicht“, erklärt Singer. „Dort wird sich zusammengerauft, bis es passt. Das hat auch bei uns funktioniert. Wir haben die Ecken poliert, weil wir ihm gesagt haben, wir brauchen Dich und dein Wissen. Aber Du brauchst uns auch. Ein Puzzle sieht nur gut aus, wenn alle Teile passen.“ Falk bestätigt den Gedanken der Zusammengehörigkeit. „Wenn wir unterwegs waren, egal ob zu Tests oder zu Rennen, dann haben alle im gleichen Hotel in der gleichen Kategorie gewohnt. Wir haben an einem Tisch gesessen, wenn es zum Essen ging und zur Not haben auch mal gemeinsam auf Feldbetten in einer Werkstatt übernachtet.“ „Das schweißt zusammen“ stimmt Clausecker nickend mit ein und Steckkönig erinnert sich lächelend „an die Baracke, in der wir alle gemeinsam bei den Tests in Ehra-Lessin übernachtet haben“.

Dabei faszinieren die Herrschaften nicht nur mit ihren herrlichen Geschichten. Alle sind trotz ihres Bekanntheitsgrades und ihrer Erfolge äußerst bodenständig und zugänglich geblieben. Keine Frage, sei es von Bärbel Schlegel oder aus dem Auditorium blieb unbeantwortet und die Zeit verstrich wie im Fluge. Und obwohl eine große Anzahl, der zum Besten gegebenen Erinnerungen und Anekdoten, gemeinsam erlebt wurden, wurde die Frage nach dem jeweils eindrücklichsten aller Erlebnisse sehr individuell beantwortet. Dennoch lassen sich die Antworten in zwei Gruppen einteilen. Die Herren Falk und Singer haben dabei ihren Blick nach LeMans gerichtet, während Clausecker und Steckkönig zum Nürburgring blicken. 

Für Norbert Singer war der 3-fach Triumph in LeMans 1982 das wichtigste Ereignis. Er schilderte die Entwicklung des neuen 956 in nur 9 Monaten und wie erstmals bei Porsche ein Rennwagen nicht auf einem Gitterrohrrahmen aufgebaut wurde, sondern auf einem Aluminium-Monocoque und das gleichzeitig auch noch durch ein umgedrehtes Flügelprofil enormen Abtrieb erzeugte. „Das war alles so neu für uns, dass wir uns spielerisch mit kleinen Modellen an das Thema rantasteten. Und trotzdem wussten wir, dass eigentlich gar keine Zeit blieb. Wir waren auch nicht sicher, ob alles auf Anhieb so funktioniert, wie wir es erdacht hatten. Bei der Zieldurchfahrt waren alle Überstunden und Nachtschichten vergessen. Dafür werde ich die Gänsehaut in diesem Moment nie vergessen.“ Auch Peter Falk sieht LeMans 1982 als seine Sternstunde an, wenngleich aus einem anderen Blickwinkel. „Ein 24h-Rennen fordert immer den richtigen Kompromiss zwischen Vorpreschen und Zurückhaltung. Sie müssen die Gegner im Blick haben und gleichzeitig versuchen das Auto zu schonen. Zudem hatten wir mit dem 956 bisher kaum Erfahrungen. Worauf sollten wir besonders achten? Wo lag der Schwachpunkt? Natürlich will jeder Fahrer auch gewinnen und zeigen, dass er der Beste. Als Rennleiter habe ich aber das ganze Team – und die Gegner – im Blick. Wenn dann nur das eigene Team bei der Siegerehrung auf dem Podest steht, dann macht das schon etwas mit einem!“ Kaum ist der Satz mit Stolz beendet, kommt auch schon der nächste in Bescheidenheit dazu. „Natürlich gehört auch eine große Portion Glück dazu, ein solches Ergebnis zu erzielen. Da kann keiner sagen, es sei alleine seine Leistung!“

Für Hans Clausecker ist der größte persönliche Erfolg ein ganz anderer. „Anfang der 80er Jahre stand der 911 für den sportlichen Porsche, während der 928 eher als Gran Tourismo eingestuft wurde. Das sahen Günter und ich ganz anders. Wir waren überzeugt, dass der 928 mit – und vielleicht durch -seinem gutmütigen Fahrverhalten ein echter Sportwagen ist, der auf die Rennstrecke gehört.“ Sofort stimmt Steckkönig mit Kopfnicken und zufriedenem Grinsen ein. „Unser Trigema 928 war ein ausrangiertes Testauto, das eigentlich verschrottet werden sollte. Da haben wir einfach den Herrn Bott gefragt, ob wir das Auto für ein privates Projekt haben könnten“ erinnert sich Steckkönig. „Wir haben mit einfachsten Mitteln ein Rennauto daraus gemacht. Wir wollten zeigen, dass der 928 ein perfektes Auto für die Europameisterschaft ist.“ „Für die Homologation waren noch nicht genügend Fahrzeuge gebaut, deshalb sind wir damit im Nürburgring Langstreckenpokal angetreten. Dort gab es eine Prototypen-Klasse.“ führt Clausecker aus. Nach Feierabend wurde das Fahrzeug an der einen oder anderen Stelle erleichtert, motorisch ein bisschen aufgepeppt und mit einer Sicherheitszelle versehen. „Zuerst hat niemand außer uns beiden an den Erfolg des Projekts geglaubt. Doch dann haben drei von fünf Rennen gewonnen!“ hält Clausecker mit Stolz fest. „Deshalb ist es mein persönliches Highlight“. „Ja, das stimmt“ fügt Steckkönig dazu, um mit etwas Wehmut nachzuschieben: „Da haben wir mit einfachsten Mitteln bewiesen, was im 928 steckt und dann wird die nötige Produktionszahl für die Homologation nicht erreicht. Wer weiß, was sonst daraus geworden wäre?“

Nach dem offiziellen Ende der Werkstattgespräche wurde bei einem kleinen Imbiss und Getränken weiter fachgesimpelt und auch die Ehrengäste unterhielten ihre Gesprächspartner in kleineren Runden mit zusätzlichen Geschichten und Anekdoten aus ihrem unerschöpflichen Fundus. Somit verabschiedeten sich die Porschianer viel später als geplant von ihrem Publikum, das genauso wie die lebenden Legenden mit einem zufriedenen Schmunzeln den Heimweg antrat.

Somit lässt sich der Nachmittag mit den Worten zusammenfassen: Tolle Gäste, tolle Geschichten, tolle Zuhörer, toller Nachmittag!

Ronald Ritter

Die Gäste bei den Werkstattgesprächen: Nobert Singer, Hans Clausecker, Moderatorin Bärbel Schlegel, Peter Falk und Günter Steckkönig (v.l.n.r.), Foto: Ritter