//Verkehrsunfälle: Senioren besonders gefährdet

Verkehrsunfälle: Senioren besonders gefährdet

Älterer Menschen werden immer öfter Opfer eines Verkehrsunfalls. Das ist nicht einfach das Resultat eines alternativlosen Prozesses, der sich unweigerlich aus dem steigenden Anteil von Senioren an der Gesamtbevölkerung ergibt.

Laut Material des Statistischen Bundesamtes ist mehr als die Hälfte der tödlich verunglückten Fußgänger mindestens 65 Jahre alt. Bei den Schwerverletzten liegt der Anteil nur etwas weniger dramatisch bei einem Drittel. Auf der Suche nach den Ursachen stellt Steffen Ruchholtz, Professor für Unfallmedizin und stellvertretender Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), fest: „Senioren verletzen sich auch bei scheinbar harmlosen Unfällen oft schwer.“ Mediziner weisen schon seit geraumer Zeit darauf hin, dass sich alte Menschen bei demselben Unfall deutlich schwerere Verletzungen zuziehen als junge.

Die Gründe dafür sehen die Unfallmediziner der DGOU zum einen in der verminderten Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit der Senioren, weshalb sie etwa einen Sturz nicht gut abfangen können. Zum anderen an der meist schwächeren körperlichen Verfassung, so dass sie sich beispielsweise leichter einen Knochen brechen. Aus Unfalldaten weiß man, dass sich die typischen Verletzungen älterer Verkehrsteilnehmer im Bereich des Kopfes und des Oberkörpers sowie der Wirbelsäule und der Beckenregion befinden.

Zu der Frage, warum Senioren überhaupt so stark in Unfälle verwickelt sind, meint der Oberarzt Christopher Spering, bei der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie für Fragen der Prävention zuständig: „Oft werden ältere Menschen im überfüllten und komplexen Verkehrsraum von anderen Verkehrsteilnehmern übersehen. Da sie stärker gefährdet sind, sollte gerade auf sie besondere Rücksicht genommen werden.“ DGOU-Vizepräsident Ruchholtz ergänzt: „Insbesondere motorisierte Verkehrsteilnehmer sollten für die Sicherheit von Älteren sorgen, indem sie langsamer fahren, Sichtkontakt suchen oder für Senioren einmal mehr anhalten.“

Unzweifelhaft ist der Straßenverkehr komplexer und in gleich mehrfacher Hinsicht schwieriger geworden. Die Verkehrsdichte ist vor allem in der Stadt gestiegen; nicht nur der motorisierte Individualverkehr hat zugenommen, auch die Bürgersteige in den Citys sind zu mancher Stunde und an manchem Ort genauso überfüllt, wie es die Busse und Bahnen sind. Verstärkt wird diese Tendenz zur Unübersichtlichkeit noch dadurch, dass der Trubel auf der Straße schneller und hektischer geworden ist. Das bedeutet Stress – für alle.

Doch damit immer noch nicht genug. Neuaufgekommene Fahrzeugkonzepte bedeuten neue Herausforderungen für die Verkehrsteilnehmer. So surren Elektroautos kaum hörbar vor sich hin. Auch die großen und schweren E-Busse erkennt man nicht mehr am charakteristischen Dieseln des großen Motors. Radfahrer und Fußgänger müssen in ihrem Verhalten richtiggehend umdenken und an Kreuzungen, Übergängen oder Haltestellen bewusst die Blickrichtung ändern, wo es bislang ausreichte, sich auf das Gehör zu verlassen.

Je nach Situation ist das leichter gesagt als getan und fällt älteren Menschen noch schwerer. Zumal wenn dazu noch ein rücksichtslos abgestellter E-Scooter unvermittelt den Weg versperrt, oder ein E-Scooter-Fahrer so eng an den Passanten vorbeisurft, als ob sie Slalomstangen wären. Elektromobilität bedeutet auch, dass die Fahrzeuge schneller Tempo machen. Ein E-Auto ist in null Komma nichts auf Touren, wo der Verbrenner erst anfängt loszulegen. Was für den E-Auto-Fahrer ein Vorteil ist und Spaß macht, kann Passanten und Radfahrer erschrecken.

Rücksichtnahme!

Die DGOU fordert „mehr Sicherheit und Sensibilität“ gegenüber ungeschützten Verkehrsteilnehmern und speziell gegenüber älteren Menschen. Wer ein Fahrzeug lenkt, egal ob Zweirad, Pkw oder Nutzfahrzeug, dem empfehlen die Mediziner, Augenkontakt zu Senioren herzustellen, Gehwege nicht zuzuparken und bremsbereit zu sein. Als der stärkere Verkehrsteilnehmer sollte man in erster Linie eine vorausschauende und defensive Fahrweise praktizieren, nicht zu schnell unterwegs sein und stets den Sicherheitsabstand einhalten.

Die Unfallmediziner heben hervor, dass auch ältere Menschen etwas für ein Mehr an Sicherheit tun können. Ihr Rat: nicht leichtsinnig die Straßenseite wechseln (dabei verunglücken viele Senioren), auf den Verkehr achten und wo immer möglich eine Ampel oder einen Zebrastreifen benutzen. Ansonsten zügig und auf dem kürzesten Weg die Straßenseite wechseln, nicht in einer Diagonalen. Auch für Senioren gilt: Augenkontakt zum anderen Verkehrsteilnehmer suchen. „Bei ausparkenden Autos sollten sie Vorsicht walten lassen, da sie sich schnell im toten Winkel befinden können.“ Wer im Dunkeln unterwegs ist, sollte helle Kleidung tragen, am besten mit Reflektoren.

„Gegenseitige Rücksichtnahme“, so die DGOU, „und klare nonverbale Kommunikation wie Sichtkontakt oder Handzeichen sind grundlegende Bestandteile der Unfallprävention.“ Das gilt vor allem im Umgang mit älteren Menschen, aber eigentlich für alle.

Kristian Glaser (kb)
Foto: DGOU, © lettas / Adobe Stock