In Science-Fiction-Geschichten gehören fahrerlose Robotertaxis zum Alltag und „lassen in unserer Wahrnehmung die traditionellen Autobauer im biederen Schatten der Vergangenheit zurück“, bemerkt Mario Trapp und blickt kritisch auf die Folgen: „Wenn Technikunternehmen versprechen, diese Vision aus der Fiktion in die greifbare Nähe des Machbaren zu rücken, steht ihnen die Bühne des breiten öffentlichen Interesses offen.“ Doch so einfach sei der Weg zu alltagstauglichen Autos, die fahrerlos überall herumkurven können, nicht. Da gebe es nämlich, so Trapp weiter, „einen schier unüberwindbar scheinenden Graben: die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Fahrzeuge“.
Trapp weiß, wovon er spricht. Er ist Informatikprofessor an der Technischen Universität München und leitet gleichzeitig das Fraunhofer-Institut für Kognitive Systeme (IKS). Er ist ein Experte in Sachen künstliche Intelligenz und Robotersysteme. Und er ist skeptisch. Denn auf der anderen Seite des von ihm beschriebenen Grabens sieht er die klassischen Autobauer. Und die haben ein Problem, wenn es um automatisiertes Fahren geht. Und dieses Problem sollte nicht ignoriert werden.
Trapp hebt durchaus hervor, dass es eben nicht eine Tech-Firma aus dem Silicon Valley, sondern ein deutscher Automobilhersteller ist, der das weltweit erste Serienfahrzeug mit hochautomatisierter Fahrfunktion der Stufe 3 zum Verkauf anbietet. Gemeint ist Mercedes-Benz und die S-Klasse sowie das vollelektrische Pendant, der EQS. Die Wagen, ausgestattet mit dem „Fahrpilot“-System, fahren in bestimmten Situationen auf der Autobahn komplett selbst. Der Fahrer kann in dieser Zeit einer anderen Tätigkeit nachgehen, etwa lesen, schreiben oder telefonieren. Wenn aber die Aufforderung des Autos erscheint, muss er schnellstens die Kontrolle über das Fahrzeug wieder übernehmen.
„Der Preis für die Sicherheitszulassung dieses Systems“, erläutert Trapp wie nebenbei, sei eine Reduktion der eingesetzten künstlichen Intelligenz „auf ein Minimum“ gewesen. Das ist auch der Grund, weshalb das System nur „unter sehr eingeschränkten Bedingungen überhaupt genutzt werden kann“. Gemeint ist eine Begrenzung auf bestimmte Fahrsituationen auf der Autobahn. „Von alltagstauglichen vollautomatischen Autos sind wir noch weit entfernt“, fasst Trapp den aktuellen Entwicklungsstand ernüchternd zusammen.
Realismus
Der Wissenschaftler möchte keinen Pessimismus verbreiten, sondern Realismus, realistische Perspektiven zum automatisierten Fahrzeug. Klar ist für ihn, dass künstliche Intelligenz (KI) „unerlässlich“ für zukünftige Fahrzeuge sei. Betrachtet man jedoch die KI aus der Perspektive der Sicherheit, höre sie auf, ein „glänzendes Wundermittel“ zu sein. Dann bleibe „in erster Linie ein riesiges Problem“.
So beeindruckend KI sein mag, so wenig weiß man, warum sie funktioniert. Der Fraunhofer-Forscher präzisiert: Aus Sicht der Sicherheit sei viel wichtiger, wann und warum KI eben nicht funktioniere. Der Informatiker weiß aus seiner Forschung, dass ein technischer Ausfall oder ein Fehler eben keine Ausnahme ist und zu häufig vorkommt, als dass man von einer „zuverlässig funktionierenden Technologie sprechen könnte“. Daher ist Trapp der festen Überzeugung, dass über die Zukunft des autonomen Fahrzeugs die Frage der Sicherheit entscheiden wird, „aber die Antwort auf diese Frage ist heute leider immer noch offen“.
Geradezu für fatal hielte es der Wissenschaftler, wenn im Namen des technologischen Fortschritts die Sicherheitskriterien für autonome Fahrzeuge gelockert würden. Überhaupt teilt er die verbreitete Euphorie nicht, dass mit den automatisierten Autos alle Probleme des modernen Straßenverkehrs gelöst würden. „Rational betrachtet“, gibt er zu bedenken, könnten Roboterautos im Vergleich zu anderen Maßnahmen nur „bedingt“ die Verkehrssicherheit in den Innenstädten erhöhen. Auch dass sie das Wundermittel für eine nachhaltige Verkehrswende darstellten, kann er nicht erkennen.
Autonome Fahrsysteme, so lautet Trapps Fazit, hätten ihren Sinn und Nutzen in ganz bestimmten, klar definierbaren Bereichen. Dazu gehören die Logistik und Baustellen, ebenso die Landwirtschaft oder die Produktion. Dort sei der Nutzen viel größer und die Technologie einfacher zu beherrschen als in Fahrzeugen für den Straßenverkehr.
„Was bleibt“, resümiert Trapp und fordert damit die Autohersteller zu Bedachtsamkeit auf, „ist ein reines Komfortangebot, gekleidet in die emotionale Geschichte einer wahr werdenden Zukunftsvision. Kein Grund also, dafür Menschenleben zu riskieren.“
Beate M. Glaser (kb)
In bestimmten Situationen fährt der Mercedes EQS bereits autonom, Foto: Mercedes-Benz