//Neues vom 16. Deutschen Autorechtstag

Neues vom 16. Deutschen Autorechtstag

Der Umgang mit unserem beliebten Auto ist im Umbruch. Auf der einen Seite sind es neue Auflagen im Zusammenhang mit dem steigenden Umweltbewusstsein, das ab 2035 sogar zum (Teil-) Verbot des Verbrenners führen soll. Dann sind es neue Vertriebsmodelle der Autoindustrie und schließlich sind die Dieseldiskussionen immer noch nicht abgeschlossen. All‘ diese Themen wurden auf dem 16. Deutschen Autorechtstag diskutiert und juristisch bewertet.

Geleitet wurde die Veranstaltung, die traditionell hoch oben auf dem Petersberg in Königswinter stattfindet, von Prof. Dr. Ansgar Staudinger, der auch den Verkehrsgerichtstag in Goslar leitet. Nicht nur der Sitzungspräsident war hochkarätig, sondern dabei waren auch ein ehemaliger und zwei aktive Richter vom Bundesgerichtshof (BGH). Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) schien seinen Terminplan auf die Königswinterer Veranstaltung ausgerichtet zu haben, er verkündete während der Veranstaltung eine erwartete Entscheidung in Sachen „Dieselproblematik“.

So konnte der 16. Deutsche Autorechtstag auch aktuell auf das am 20. März 2023 vormittags verkündete Urteil des EuGH zum Thermofenster eingehen. Die Richter des EuGH hatten noch einmal entschieden, dass Käufer eines Dieselautos mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung Schadenersatz vom Hersteller verlangen können.

Übrigens, ein besonderer Gag war es, dass die Referenten in einem Oldtimercorso über das Gelände des Petersberges zum Vortragssaal gefahren wurden.

Ein paar wesentliche Ergebnisse:

Digitale Selbstjustiz

Hier ging es in dem Vortrag von Dr. Dr. Hans Steege (Interdisziplinäres Institut für automatisierte Systeme) darum, ob beispielsweise Autovermieter durch Fernsperrung einer Batterie das Recht haben, die Weiterfahrt eines Autos zu unterbinden. Hier handelt es sich um eine praktische Selbstjustiz, in der es um die Fernsperrung einer vernetzten Sache geht.

Das BGH-Urteil vom 26.10.2022 ging auf das staatliche Gewaltmonopol ein und bekräftigte dieses. Allerdings lassen im Einzelnen Geschäftsbedingungen der Autoverkäufer/Vermieter bestimmte Eingriffe zu. So brachte das BGH-Urteil weiterhin keine Rechtssicherheit und forderte den Gesetzgeber auf, das Sachenrecht dem digitalen Zeitalter anzupassen.

Auch in der anschließenden Podiumsdiskussion gab es unterschiedliche Meinungen. Unser VdM-Mitglied Dr. Kurt Reinking gab zu bedenken: „Wir sind noch nicht am Ende des Möglichen angekommen“, und führte dazu aus: Im Hinblick auf befristete Überlassungsverträge, bei denen das Fahrzeug nach Vertragsende nicht zurückgegeben werde, halte er eine Klausel für unbedenklich, die eine digitale Stilllegung nach kurzer Fristsetzung vorsehe. Komme es bei vorzeitiger Vertragsbeendigung zum Streit über deren Wirksamkeit, sei eine Klausel denkbar, die eine digitale Ausserbetriebsetzung des Fahrzeugs vorsehe, falls der Nutzer den Zahlungsrückstand nicht innerhalb einer zu setzenden Frist begleiche oder wegen seiner Einwendungen Klage einreiche. Also abwarten, was die künftige Gesetzgebung bringen wird.

Aktuelle Rechtsprechung

Direkt im Anschluss nahm Richter Dr. Oliver Klein (BGH-Richter) die Teilnehmer mit auf eine tour d’horizon durch die Rechtsprechung des VI. Zivilsenats (Verkehrsrechtssenat) des BGH aus den letzten 12 Monaten. Ein Schwerpunkt lag dabei auf aktuellen Fragen des Sachschadens, insbesondere des Werkstattrisikos und der Besonderheiten beim Sicherungseigentum. So erläuterte er beispielsweise die Regressmöglichkeiten des Haftpflichtversicherers in einem besonders kuriosen Fall. In der Praxis ging es um einen Unfall auf einem Parkplatz, wo zwei Pkw rückwärts aus einer Parklücke kamen und zusammenstießen. Eines der Fahrzeuge war ein Leasing-Fahrzeug. Der Leasinggeber kann vom Unfallgegner und dessen Haftpflichtversicherer 100 Prozent Ersatz des Fahrzeugschadens verlangen, obwohl den Fahrer eine Mithaftung z.B. in Höhe von 50 Prozent trifft. Das ist beispielsweise der Fall, wenn beide gleichzeitig aus gegenüberliegenden Parklücke zurücksetzen und die Fahrzeuge zusammenstoßen. Dann bekommt der Leasinggeber als Eigentümer des Leasingfahrzeugs 100 Prozent ersetzt, während der Unfallgegner nur 50 Prozent seines Schadens ersetzt bekommt. Um letztlich eine gerechte Schadensverteilung im Verhältnis 50 zu 50 herzustellen, muss der Unfallgegner beziehungsweise dessen Haftpflichtversicherung den Leasingnehmer in Regress nehmen. Wie dies prozessual zu handhaben ist, erläuterte Dr. Klein. Im Anschluss daran schilderte der Referent, wie dieser Konflikt im Regresswege zu lösen ist und betonte, dass der Gesetzgeber hier in der Straßenverkehrsordnung wohl nachbessern muss.

Und hier vier Urteile des BGH, die zum Nachdenken anregen:

  • Ein abgestellter Anhänger wurde bei einem Unfall von einem Unfallverursacher in ein Tor geschoben und hat dies beschädigt. Die Haftpflichtversicherung des Anhängerhalters musste den Schaden am Tor zahlen – nicht der Unfallverursacher.
  • Die Batterie eines E-Rollers explodierte nach dem Ausbau und setzte eine Werkstatt in Brand. Der Werkstattinhaber wollte den Schaden vom Halter des E-Rollers ersetzt bekommen unter Berufung auf eine Betriebsgefahr, die von dem E-Roller ausgeht. Der BGH hat das abgelehnt, weil eine ausgebaute Batterie nichts mit der Betriebsgefahr des Rollers zu tun hat. Somit musste die Versicherung des E-Rollerhalters nicht für den Werkstattbrand zahlen.
  • Eine Garage, in der zwei hochwertige Pkw standen, wurde zugeparkt. Die Besitzerin konnte eine Urlaubsfahrt nicht antreten und forderte Ersatz, weil sie für eine Urlaubsfahrt ein hochwertiges Auto mieten musste. Der BGH hat das abgelehnt.
  • Eine Betriebsgefahr geht auch von einem parkenden Lkw aus. Auslöser für einen Brand war ein Kühlschrank in einem abgestellten Lkw.

EuGH zum Dieselskandal

Zum Schluss der zweitägigen Veranstaltung erläuterte der Autorechtstags-Präsident Prof. Dr. Ansgar Staudinger noch das frische EuGH-Urteil. Er betonte, der Entscheid sei Anlass, zukünftig gerade beim BGH in Karlsruhe nicht allzu schnell von einem „acte-clair“ auszugehen und demzufolge von Vorlagen abzusehen. Überdies bleibe nun abzuwarten, wie die hiesige Justiz die verbleibenden Spielräume etwa bei der Bezifferung der Schadenshöhe unter Einbeziehung gezogener Nutzungen auslote. Allerdings sei dem Präventionsgedanken und dem Gebot einer hinreichend effektiven Sanktion ausreichend Rechnung zu tragen. Klargestellt sei überdies, dass eine Haftung der Hersteller selbst bei einfacher Fahrlässigkeit im Ausgangspunkt wegen des Verstoßes gegen ein „Europäisches Schutzgesetz“ im Zusammenspiel mit § 823 Abs. 2 BGB in Betracht komme. Die Verjährung unterliege insofern den §§ 194 ff. BGB.

Resümee

Der Deutsche Autorechtstag hat sich auch in seiner 16. Ausgabe nicht nur als Forum hochaktueller und brisanter Rechtsthemen, sondern auch als wertvoller Bestandteil juristischer Bildungsangebote etabliert. Neben der Vertiefung rechtswissenschaftlicher Themen ist auch das vielseitige Praxisseminar zur Schadensregulierung bzw. zum Verkehrsstraf- und Versicherungsrecht längst anerkannt und bietet den Teilnehmern bei Nutzung aller Angebote den vollständigen Fortbildungsnachweis über die erforderlichen 15 Stunden. Mehr Infos unter www.autorechtstag.de

Text und Fotos: Klaus Ridder