Als Busverbindung in den Abendstunden auf dem Land, als Gruppentaxi zum Theater, als Fahrgemeinschaft zur Arbeit: Inzwischen können sich viele Menschen die Nutzung autonom fahrender People Mover – elektrisch angetriebene Kleinbusse ohne Fahrer – vorstellen. Sogar Autofahrer zeigen wegen Parkplatznot und Staus die Bereitschaft, für viele Wege auf People Mover umzusteigen. Voraussetzung: Die autonome Fahrtechnik muss absolut zuverlässig sein.
Das sind zentrale Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten, großen Mobilitätsstudie „The Autonomous Gap: Anspruch und Realität autonomer Mobilitätskonzepte in Europa, China und den USA“, die das Beratungsunternehmen MHP, das Fraunhofer-Institut IAO in Stuttgart und die Motor Presse Stuttgart mit der Zeitschrift auto motor und sport durchgeführt haben. Für die Studie wurden knapp 5000 repräsentativ ausgewählte Erwachsene in den USA, China, Großbritannien, Schweden, Polen, Italien und Deutschland befragt. Deren Erwartungen an autonome Mobilitätskonzepte werden in der Studie der Einschätzung von 15 internationalen Expertinnen und Experten gegenübergestellt. Dabei werden sieben Lücken (Gaps) zwischen der Erwartung potenzieller Nutzer und der Realisierbarkeit identifiziert. Neben den noch bestehenden Herausforderungen lässt die Studie aber auch Rückschlüsse zu, welche autonomen Mobilitätskonzepte in welchen Regionen erfolgversprechend sein könnten.
Die Studie ist die insgesamt dritte Untersuchung von WeTalkData, der Forschungskooperation der Motor Presse Stuttgart mit dem Management- und IT-Beratungsunternehmen MHP. Die Zusammenarbeit startete mit der im September 2020 veröffentlichten Studie „Mythos Mobilitätswende“. Die zweite Studie mit dem Titel „Mobility.OS“ erschien im September 2021.
Autonom auf dem Weg zur Arbeit
Besonders interessant: Die Befragten in Deutschland nennen wesentliche Punkte, weshalb autonom fahrende Fahrzeuge wie People Mover einen Beitrag zu einer nachhaltigen Mobilität leisten können: Die Anbindung von Gebieten mit schlechtem ÖPNV-Angebot (41%) und die Rund-um-die-Uhr-Mobilität (39%) werden als zentrale Vorteile genannt (Mehrfachnennungen möglich). 37% erhoffen sich günstigere Preise für Mobilität und bessere Transportmöglichkeiten für körperbehinderte Menschen.
Und für welche Wege und Ziele würden die Befragten People Mover am ehesten nutzen? Weltweit nannten 51% der Befragten Fahrten zur und von der Arbeit, gefolgt von Wegen zum Einkauf (45%), Fahrten zu Kultur- und Sportveranstaltungen (40%), Kino- und Restaurantbesuch (39%) sowie Fahrten innerhalb von Wohnvierteln und Innenstädten (38%). Anders in Deutschland: Da stehen Fahrten zu Flughafen und Bahnhof mit 49% klar an der Spitze, vor Fahrten zum Einkauf (42%), innerhalb von Stadt- und Wohnviertel (40%) und für Besuche von Kino und Restaurants (38%). Das Motiv der Deutschen für diese Transportwünsche: keine Parkplatzsuche (52%), mehr Flexibilität (48%) und Verfügbarkeit rund um die Uhr (43%) sowie Klimafreundlichkeit (40%). Die Expertinnen und Experten weisen allerdings zurecht darauf hin, dass geteilte autonome Mobilitätskonzepte nur einen geringen ökologischen Nachhaltigkeitseffekt haben, wenn Fahrten nicht ersetzt werden, sondern zusätzlich getätigt werden.
Fast die Hälfte der Befragten sehen in autonomen Mobilitätskonzepten eine Alternative oder Ergänzung zum ÖPNV. Dieser kann durch den Einsatz von autonomen People Movern attraktiver gestaltet werden und bisherige Schwachstellen ausgleichen. Als Anbieter von autonomen Mobilitätsdiensten sehen die Nutzerinnen und Nutzer die gleichen Akteure, die auch heute bereits Mobilitätsdienste zur Verfügung stellen. Am meisten trauen die Befragten das den Kommunen und dem ÖPNV zu. So vertrauen 44% der Befragten den Kommunen als Anbieter und 39% den (kommunalen) ÖPNV-Anbietern im Gegensatz zu den privaten Mobility-Anbietern (27%). Sie haben dabei nicht nur einen Vertrauensvorsprung gegenüber Tech-Riesen wie Alibaba, Baidu, Cruise oder Tencent, sondern auch einen Subventionsvorteil.
Angst vor Unfällen
Länderübergreifend bestehen noch Bedenken hinsichtlich einer höheren Unfallgefahr durch Technikversagen. Unabhängig vom Anbieter sehen weltweit 51% der Befragten die Gefahr von Unfällen durch Fehler der Technik. Besonders hoch wird dieses Risiko von den Befragten in den USA mit 59% eingeschätzt, Deutschland liegt mit 50% im Mittelfeld, Chinesen sehen darin nur zu 41% ein Problem. Auch die Neuheit der autonomen Fahrtechnik, mit der noch keine Erfahrungen existieren, sehen weltweit 45% der Befragten kritisch. Die befragten Experten glauben jedoch, dass die Skepsis in Akzeptanz umschlagen wird, sobald Verbraucher die neuen Technologien in Feldversuchen kennenlernen können.
Dennoch ist die Bereitschaft zur Nutzung autonom fahrender Fahrzeuge hoch, allerdings mit starken regionalen Unterschieden. In China sagen 91% der Befragten, dass es sehr oder eher wahrscheinlich ist, dass sie solche Fahrzeuge nutzen werden. Die geringste Bereitschaft zur Nutzung zeigen die Befragten in Deutschland und den USA mit je 46%.
„Selbst diese vermeintlich geringen Zahlen sind enorm hoch und zeigen, dass die Menschen in Deutschland die Hoffnung haben, ihre Mobilität durch autonom fahrende Fahrzeuge verbessern zu können“, sagt Birgit Priemer, Chefredakteurin von auto motor und sport. „Die Menschen wünschen sich zuverlässige Verkehrsmittel, die sie günstig und schnell ans Ziel bringen, ohne Staus und Parkplatzsuche. Deshalb ist es den Befragten der Studie auch wichtig, dass People Mover die Busspuren nutzen dürfen und damit besser durch den Berufsverkehr zu kommen.“
Für MHP-Mobilitätsexperte Marcus Willand zeigt die WeTalkData-Studie, dass nicht Forderungen wie Nachhaltigkeit und Unfallvermeidung die Haupttreiber autonom fahrender Fahrzeuge sind. „Die künftigen Nutzer haben ganz konkrete Nutzungsbedürfnisse, die sie mit solchen Fahrzeugen besser lösen können als mit Autos, die im Stau stehen, oder Bussen, die nachts nicht fahren. Deshalb sehen wir gerade in People Movern einen Zukunftsmarkt, wenn die Fahrzeuge sicher sind und für die Kunden eine Fahrt bezahlbar ist.“
Interesse an der Studie? Hier geht es zum Download.
(MPS/bic)
Foto: ZF