//Neues Superhirn von ZF

Neues Superhirn von ZF

Rechner in Roboterautos müssen blitzschnell verschiedenste Daten verarbeiten und Fahreingriffe entscheiden. Auf der IAA stellt ZF eine neue Generation seines Superrechners vor.
Die Automatisierung des Fahrens verlangt enorme Rechenleistungen in jedem einzelnen Fahr¬zeug. Es müssen nicht nur die Daten von Radar, Kamera und Lidar zusammengeführt, ausgewertet und interpretiert werden, die sogenannte Sensorfusion, es müssen auch Schlußfolgerungen für eventuelle Eingriffe in das Fahrgeschehen gezogen werden, zum Beispiel eine Vollbremsung. Hinzu kommt noch der Abgleich mit Informationen aus der Datenwolke, von vernetzter Infrastruktur und anderen Fahrzeugen. Für Autos mit höherer Automatisierungsstufe muss darüber hinaus das gesamte Umfeld interpretiert werden, damit sich der Rechner ein „Bild“ machen und das korrekte Fahrprofil auswählen kann. Selbstverständlich müssen alle diese Schritte im Bruchteil einer Sekunde erfolgen und absolut zuverlässig verarbeitet werden. Denn der kleinste Fehler hat fatale Folgen. Daher wird in jedem Roboterauto künftig ein Superhirn stecken.

ZF ProAI Active Cooling

Der Autozulieferer ZF bietet Fahrzeugherstellern seit längerem einen solchen Supercomputer an. Das System heißt „Pro-AI“ (das englische „AI“ steht für künstliche Intelligenz – artificial intelligence) und wird derzeit für eine neue Generation überarbeitet. Pro-AI wird dann in einer Box untergebracht sein, deren Fläche nur unwesentlich größer ist als die eines A5-Blattes, und 20 Billionen bis eine Billiarde Rechenoperationen durchführen können – pro Sekunde, wie ZF-Entwickler Michael Keckeisen (im Bild unten) vor Journalisten hervorhob.

70 Prozent weniger Stromverbrauch, 70 Prozent mehr Leistung

Gegenüber der aktuellen Generation konnten Keckeisen und sein Team den Stromverbrauch um 70 Prozent absenken, während die Rechenleistung um nahezu den gleichen Prozentsatz verbessert wurde. Das Gerät ist Keckeisen zufolge „auf höchste Belastbarkeit und Zuverlässigkeit auch unter extremen Bedingungen“ ausgelegt, mit der aktuell höchsten Sicherheit gegen Cyberangriffe bestückt und kann Software des Autoherstellers, von ZF oder von Dritten verarbeiten.
Durch seinen modularen Aufbau ist es sowohl für Autos nur mit Assistenzsystemen als auch für die anspruchsvolleren Anforderungen von fahrerlosen Fahrzeugen geeignet. Laut ZF wird mit der kommenden Pro-AI-Auflage eine „enorme Breite von möglichen Anwendungsfällen für jeden Fahrzeugtyp“ geschaffen, der auch künftigen Entwicklungen eine technische Basis biete.

Premiere auf der IAA

Das neue Pro-AI-System wird im September bei der Münchener IAA seine Europapremiere haben. Die Serienproduktion soll 2024 anlaufen. Wie eine ZF-Sprecherin sagte, liegen Bestellungen von Pkw- und Lkw-Herstellern bereits vor.
Das strategische Ziel von ZF ist es, „Technologie für die nächste Mobilitätsgeneration bereitzustellen“, erklärte der für autonome Mobilitätssysteme zuständige ZF-Vizepräsident, Torsten Gollewski. „Wir verfügen bereits heute über alle notwendigen Technologien für künftige Fahrzeug- und Mobilitätskonzepte“, sagte er. Das umfasse Hochleistungsrechner, Software, Sensoren, Aktuatoren und Konnektivität.
Seit dem Erwerb von „Togetthere“ (wörtlich „um dorthin zu kommen“), einem niederländischen Hersteller autonomer Elektro-Shuttles, mischt der Friedrichshafener Zulieferer auch im Fahrzeuggeschäft mit. ZF und Togetthere befänden sich in Gesprächen mit Kommunen und regionalen Betreibern, um automatisierte Kleinbusse in den ÖPNV zu integrieren, legte Gollewski dar. Dabei wird an ein lokales Netzwerk mehrerer miteinander verbundener Shuttle-Linien gedacht. Das Konzept habe den Vorteil, so Gollewski, sowohl auf Stoßzeiten wie auf seltene Haltewünsche flexibel zu reagieren. Der Straßenverkehr werde entlastet und die CO2-Emissionen würden reduziert werden. Ferner könne ein ÖPNV-Angebot in ländlichen Regionen errichtet werden, wo es bislang nichts oder nur sehr wenig gibt.

(Kristian Glaser/kb/bic)
Fotos: ZF