Navigationsgeräte gibt es für alle möglichen Fahrzeuge, ob an Land, zu Wasser oder in der Luft. Der neuste Coup auf diesem Gebiet ist ein Navi, das am Fuß befestigt wird. Es soll sehbehinderte Fußgänger unterstützen, den richtigen Weg zu finden, und ihnen verlorene Unabhängigkeit zurückgeben. Entwickelt wird das System von dem japanischen Hersteller Ashirase, einem jungen Unternehmen, das aus Hondas Gründerprogramm hervorgegangen ist und so heißt wie das Navigationsgerät selbst.
Die Idee zu einem elektronischen Wegweiser speziell für Sehbehinderte hatte Wataru Chino, der Gründer und Direktor von Ashirase, weil ein Verwandter einen Unfall hatte: „Das hat mich dazu veranlasst, etwas für die Sicherheit und Bewegungsfreiheit sehbehinderter Menschen zu tun.“ Das System besteht aus zwei Elementen: einer Smartphone-App und einem Vibrationsgerät mit Bewegungssensor, das wie die Riemen einer Sandale quer über die Zehen und am Knöchel befestigt wird. Und zwar so, dass die Vibrationen auf die Nerven des Fußes ausgelegt sind. Dadurch sind sie leicht zu spüren. Es werden ausschließlich weiche Materialien verwendet, die beim Gehen nicht stören oder drücken, verspricht Ashirase.
Das Navi am Fuß funktioniert so: Man gibt den Weg, den man gehen will, in die App ein und marschiert dann los. Über unterschiedliche Vibrationen erhält man Anweisungen, in welche Richtung man sich wenden soll. „Soll der Nutzer geradeaus gehen, wird eine Vibration am vorderen Fuß ausgelöst, wenn er rechts oder links abbiegen soll, wird eine Vibration auf der linken beziehungsweise rechten Seite ausgelöst“, erklärt Ashirase. Die Ortung erfolgt durch Satellitennavigation und auf der Basis der Fußbewegungen.
Das Gerät soll Sehbehinderten helfen, nicht ständig auf die richtige Richtung achten zu müssen und sich „sicher und entspannt“ fortbewegen zu können. Er hat die Hände frei, nötigenfalls auch für den Blindenstock, und kann sich zur besseren Orientierung auf die Umgebungsgeräusche konzentrieren. Allerdings hilft das System nicht bei Pollern, Kanten und anderen tückischen Hindernissen.
Vor Beginn der Entwicklung führten Wataru Chino und sein Team zahlreiche Gespräche mit Betroffenen durch. Dabei stellten sie fest, dass seheingeschränkte Menschen, die allein unterwegs sind, permanent prüfen, ob sie richtig sind und keine Gefahr lauert. „Da sie aber alle ihre verbliebenen Sinne benötigen, um den Verlust der Sehkraft zu kompensieren, ist es fast unvermeidbar, dass sie manchmal in unsichere Situationen geraten oder sich verlaufen“, stellt Wataru Chino fest. Die Gesprächsrunden haben laut Wataru Chino gezeigt, dass „solche Schwierigkeiten auch zu psychologischen Problemen führen können“. Es kommt noch etwas hinzu: Durch die Konzentration auf den Weg können sie sich im Vorbeigehen kaum etwas anschauen, das sie interessiert, die Architektur der Stadt zum Beispiel oder eine Sehenswürdigkeit, die Auslagen eines Geschäfts, die Natur oder andere Menschen.
Bis zur Markteinführung muss das junge Unternehmen noch einige Hürden überwinden. Im März 2023 soll es mit Ashirase losgehen.
Beate M. Glaser (kb)
Foto: DBSV