Nach einem Unfall sind viele Autofahrer ratlos. Sie wissen nicht, wie sie richtig helfen sollen. Das zeigt sich in einer nichtrepräsentativen Online-Umfrage unter 3.600 Teilnehmern, durchgeführt vom ADAC und von der Bundesarbeitsgemeinschaft Erste Hilfe, einem Zusammenschluss von Hilfsorganisationen. Demnach gab nur die Hälfte an, sich Erste-Hilfe-Maßnahmen zuzutrauen. Die andere Hälfte der Befragten gab zu gleichen Teilen an, unsicher zu sein oder Erste Hilfe nicht leisten zu können.
Dabei verfügen sehr viele Menschen über ein gutes Basiswissen. Korrekte Antworten gaben 65 bis 90 Prozent auf Fragen wie zur Überprüfung Verletzter, zum Rettungsgriff oder allgemein zur Wiederbelebung. Die richtige Notrufnummer (112) hatten zwei Drittel parat. Doch nur jeder neunte wusste, wann man die stabile Seitenlage bei einem Verunglückten anwendet (bewusstlos, aber atmend) und wie oft man im Verhältnis eine Herzdruckmassage (30 mal) und eine Atemspende (zweimal) durchführt.
Der ADAC hat aus der Befragung den Eindruck gewonnen, dass sehr viele Menschen bereit sind, verunfallten Menschen beizuspringen, jedoch wirken sich vorhandene Wissenslücken hemmend aus.
Unterlassene Hilfeleistung ist strafbar
Erste Hilfe zu leisten ist aus ethischen Gründen immer richtig, sofern man sich nicht selbst gefährdet. Unterlassene Hilfeleistung steht sogar unter Strafe. Man kann davon ausgehen: Helfen kann jeder. Und wenn es so scheinbar simple Dinge sind, wie einen Verletzten nicht allein zu lassen. Ihm die Hand halten, zuhören, gut zusprechen und versichern, dass professionelle Hilfe kommt: Das erleichtert es der verunfallten Person enorm, die schwierige Lage psychisch zu meistern, wirkt darüber hinaus stabilisierend und verbessert die Wirksamkeit der medizinischen Maßnahmen.
Ersthelfer sind rechtlich geschützt und brauchen nicht zu befürchten, für einen Schaden haftbar gemacht zu werden – es sei denn, man handelt grob fahrlässig oder sogar absichtlich falsch. Sollte man bei der Ersten Hilfe selbst Schaden nehmen, sich verletzen oder etwas zu Bruch gehen: Ersthelfer stehen per Gesetz unter Versicherungsschutz, selbst wenn sich herausstellen sollte, dass Unterstützung gar nicht nötig gewesen wäre.
Der ADAC fordert eine gesetzliche Pflicht zur regelmäßigen Erste-Hilfe-Auffrischung. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) regte bereits vor zehn Jahren an, die Erste Hilfe in die Lehrpläne an Schulen aufzunehmen. Das Helfen solle als „gesellschaftlich relevanter Wert“ vermittelt werden: „Hilfe bei Notfällen muss selbstverständlicher Bestandteil des täglichen Miteinanders werden“, meinte der DVR.
Hätten Sie’s noch gewusst: So geht Erste Hilfe!
Kommt man an eine Unfallstelle, ist das erste und wichtigste, sie abzusichern, um Folgeunfälle zu verhindern: Warnblinker anschalten, Auto am Rand abstellen, zur fahrbahnabgewandten Seite aussteigen, Warnweste anlegen, Verbandskasten und Handy mitnehmen. Dann das Warndreieck in einiger Entfernung aufstellen und dem entgegenkommenden Verkehr Handzeichen geben. So früh wie möglich die 112 anrufen, alternativ zur Notrufsäule gehen oder andere Autofahrer anhalten und um Unterstützung bitten. Vorher prüfe man, ob sich eine Person in Lebensgefahr befindet oder an einen sicheren Ort gebracht werden muss.
Muss man einen Verunglückten aus dem Auto ziehen, sollte man unbedingt auf nicht ausgelöste Airbags zwischen Sitz und Lenkrad oder Armaturenbrett achten! Bevor man die 112 anruft, überlegt man am besten kurz, wo genau man sich befindet (Kilometersteine!), was passiert ist, wie viele Menschen und Autos in den Unfall verwickelt sind und welche Verletzungen vorliegen. Die Antworten kann man sich gedanklich ruhig mehrmals vorsagen, denn in der Aufregung haben Helfer sogar schon ihren Namen vergessen.
Ist ein Unfallopfer bewusstlos, sollte man den Atem prüfen. Wegen des Coronavirus kann es sinnvoll sein, Handschuhe (im Verbandskasten) oder eine Maske zu tragen und den Atem anhand der Bewegungen des Brustkorbs bei überdehntem Nacken zu beobachten. Wenn eine Wiederbelebung erforderlich ist und man sich die Atemspende nicht zutraut, ist auch eine reine Herzdruckmassage wertvoll für das Überleben des Unfallopfers: 100 bis 120 Stöße pro Minute mit übereinanderliegenden Handballen, die man in der Mitte des Brustkorbs zwischen den Brustwarzen anlegt. Schnell und kräftig muss der Druck erfolgen, vier bis fünf Zentimeter tief. Am kraftsparendsten mit ausgestreckten Armen.
(Beate M. Glaser/kb/bic)
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