//Müllers Kolumne: Pakt für Sicherheit

Müllers Kolumne: Pakt für Sicherheit

Unter dem Motto „Sichere Mobilität – jeder trägt Verantwortung, alle machen mit“ hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) im Rahmen der 1. Nationale Verkehrssicherheitskonferenz, die am 4. Mai in digitaler Form stattfand, mit eigenen Worten „eine neue Dekade der Verkehrssicherheitsarbeit“ eingeläutet. Plakativ verschreibt sich das BMVI – wie schon im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung – nochmals ausdrücklich dem Konzept der „Vision Zero“. Allerdings müssen nun auch konkrete Taten folgen.

Großes Ziel für viele Sicherheitspartner

Zu Recht macht das BMVI darauf aufmerksam, dass es sich bei der Steigerung der Verkehrssicherheit auf unseren Straßen um eine Gemeinschaftsaufgabe handelt, an der neben dem Bund auch die Länder, die Kommunen und die vielen NGO beteiligt sind, ohne deren zumeist ehrenamtliches Wirken die Verkehrssicherheitsarbeit blutleer wäre. Alle diese Partner will das BMVI nun in einem Pakt zusammenschweißen, um das große (Zwischen-)Ziel zu erreichen, bis zum Jahr 2030 die Anzahl der Verkehrsunfalltoten im Verhältnis zum Vergleichsjahr 2020 um 40 Prozent zu reduzieren und auch die Zahl der Schwerverletzten signifikant zu senken. Der Bund sieht sich dabei nach eigenen Worten in der Rolle als „Akteur, Initiator und Koordinator“. Das neue Ziel muss gerade auch deshalb im Zentrum stehen, weil Deutschland das gleichnamige Ziel der Absenkung um 40 Prozent hinsichtlich des in allen europäischen Ländern gewählten Vergleichsjahres 2010 unlängst glatt verfehlt hatte.

Quelle: Fachkommission Verkehr der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG)

Viele kleine Schritte oder viele große Schritte?

Getreu der Weisheit des österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig: „Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern“ ist nun die Zeit für konkrete Taten gekommen, will man sich im BMVI nicht selbst Lügen strafen.
Das BMVI legt im Mai dem Bundeskabinett sein neues Verkehrssicherheitsprogramm 2021 – 2030 vor, das erstmals als ein Programm der gesamten Bundesregierung und nicht nur des Verkehrsministeriums verabschiedet werden soll. Die politische Durchschlagskraft soll damit erhöht werden. Dennoch bleibt es damit eine reine Initiative der Exekutive. Eine noch größere Durchschlagskraft hätte das Programm, wenn es parallel auch noch durch die Legislative, sprich: den Deutschen Bundestag und den Bundesrat als Zweikammergesetzgeber hätte unterstützt werden können. Aber was nicht ist, kann ja vielleicht noch werden?

Ein Lob dem Bundesverkehrsminister

Sie glauben, Sie lesen falsch? Nein, es stimmt schon. Diese neue Initiative hätte es aller Wahrscheinlichkeit nach ohne den Einsatz des Bundesverkehrsministers nicht gegeben. Darum ist ein Lob fällig. Zwar weiß niemand, ob es sich bei dieser neuen Initiative (zumindest auch) schon um einen vorweggenommenen Wahlkampf handelt, aber sei´s drum, es ist ein neuer Anfang für die Verkehrssicherheitsarbeit, und zwar in einer konzertierter Form.

Was sind die Inhalte und er sind die Akteure?

Diese Frage kann allerdings noch niemand abschließend beantworten. Jedenfalls ist die Antwort von zwei Faktoren abhängig.
1. Wer wird mitmachen?
2. Wie werden die konkreten Beiträge der paktierenden Akteure sein?
Als Akteure sind jedenfalls die Bundesländer über das Vehikel der Verkehrsministerkonferenz bereits eingebunden und deren aktuelle Vorsitzende, Dr. Maike Schaefer, hielt einen vielbeachteten Vortrag während der Verkehrssicherheitskonferenz. Zudem sind auch bereits die Kommunen mit im Boot, so jedenfalls das Statement des Deutschen Städtetages, sodass mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund und dem Deutschen Landkreistag auch die beiden anderen kommunalen Spitzenorganisationen alsbald nachziehen dürften. Mindestens ebenso wichtig sind die NGO mit ihren Tausenden von ehrenamtlichen Helfern für die Verkehrssicherheit. Zwei der Spitzenvertreter, die Professoren Walter Eichendorf (Deutscher Verkehrssicherheitsrat) und Kurt Bodewig (Deutsche Verkehrswacht) gaben jedenfalls in ihrem kombinierten Statement kund, dass sie den Pakt mit ihren Organisationen zu 100 Prozent unterstützen und dessen Arbeit mittragen. Das ist schon mal die halbe Miete!

Nochmals: Zu den Inhalten

Der Pakt beinhaltet insgesamt zwölf Handlungsfelder, deren drei wichtigste den schwächeren Verkehrsteilnehmern, also Kindern und Jugendlichen, Radfahrenden und dem Fußverkehr gewidmet sind.
Die Selbstverpflichtung, die alle Teilnehmer des Paktes mit ihrem guten Namen unterschreiben werden, beinhaltet ein Maßnahmenpaket, das aus den Faktoren Verantwortung, Kommunikation, Priorisierung, Abstimmung untereinander und Evaluierung der Maßnahmen gebildet wird.
Das hört sich nach einem tragfähigen Konzept an!

Quelle: Zahlen des European Transport Safety Council (ETSC)

Fehlt nur noch das Bereitstellen von Geldmitteln, Sachmitteln und Personal, um die guten Ideen mit Leben und Tatkraft zu füllen. Dann wird es auch etwas, mit der dringend notwendigen Reduzierung von Verkehrsunfalltoten und –    verletzten. Und es wird höchste Zeit: Deutschland ist im europäischen Maßstab schon auf den neunten Platz abgerutscht.

Weiterführende Links:
Pakt für Verkehrssicherheit
https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/StV/Verkehrssicherheit/pakt-fuer-verkehrssicherheit.html
1. Nationale Verkehrssicherheitskonferenz
https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/K/nationale-verkehrssicherheitskonferenz-2021.html
ETSC: Road deaths per million inhabitants 2019; 2010; 2001
https://etsc.eu/euroadsafetydata/

Foto: BMVI
Grafiken: Müller

Professor Dr. Dieter Müller ist Verkehrsrechtsexperte und Träger des Goldenen Dieselrings des VdM. An der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) lehrt er Straßenverkehrsrecht mit Verkehrsstrafrecht. Zudem ist er Gründer und Leiter des IVV Instituts für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten sowie unter anderem Vorsitzender des juristischen Beirats des DVR. An dieser Stelle kommentiert der Fachmann Aktuelles zu Verkehrsrecht und Verkehrssicherheit.