Die Bundesregierung hat Anfang Februar ein „Gesetz zum autonomen Fahren“ auf den Weg gebracht, das erstmals den normalen Einsatz von Fahrzeugen der Automatisierungsstufe 4 im Straßenverkehr vorsieht und dafür den rechtlichen Rahmen abstecken soll.
Fahrzeuge der vierten Stufe sind in bestimmten Situationen „vollautomatisiert“ unterwegs, das heißt, ein Fahrer muss das Steuer übernehmen, wenn der Computer mit einer Fahrsituation überfordert ist. Dieses Level gilt als die Vorstufe zum vollständig fahrerlosen Auto, die allerdings länger auf sich warten lässt, als von der Automobilindustrie prognostiziert, denn der komplexe Straßenverkehr und insbesondere die Kooperation mit anderen Verkehrsteilnehmern stellen höhere Anforderungen an die Entwickler als vermutet. Darüber hinaus sind noch komplizierte rechtliche, ethische und infrastrukturelle Fragen offen, und die Skepsis in der Öffentlichkeit und bei den Verbrauchern ist hoch. Lange wurde das Jahr 2025 als Starttermin für fahrerlose Autos genannt, aktuell legt sich der Verband der Automobilindustrie (VDA) auf 2030 fest. Derzeitiger Stand der Technik ist die Automatisierungsstufe 2 mit Assistenzsystemen, in einigen Premiumfahrzeugen ist auch die Stufe 3 mit hochautomatisierten Systemen erhältlich. Dabei muss der Fahrer jederzeit die Kontrolle über das Fahrzeug übernehmen können.
Autonom auf der letzten Meile
Der Gesetzentwurf des Bundeskabinetts sieht nun vor, dass die Landesbehörden Bereiche für die Nutzung vollautomatisierter Fahrzeuge bestimmen können. Dabei kann es sich um die sogenannte erste oder letzte Meile beim Transport von Menschen oder Gütern handeln. Gedacht wird an Shuttledienste auf Flughäfen und Messen, an Werkverkehr, die Beförderung zwischen Verteilzentren oder an das automatisierte Parken. Auch gänzlich fahrerlose Einsätze lässt der Gesetzentwurf der Regierung in einem begrenzten Umfang zu.
Die Regierung räumt ein, dass die Technik „noch nicht alle Sachverhalte in vollem Umfang durch intelligentes Erfassen der Situation und kooperatives Verhalten mit anderen Verkehrs¬teilnehmenden zu lösen vermag“, beispielsweise wenn das Fahrzeug an eine defekte Ampel kommt. Dann soll das System „ein oder mehrere alternative Fahrmanöver vorschlagen“, die durch den Fahrer „gegebenenfalls freizugeben sind“, wird im Gesetzentwurf verlangt. „Kurzfristig auftretende und aufzulösende Störungen der dynamischen Fahrzeugsteuerung“ muss das vollautomatisierte Auto dagegen selbst bewältigen können. Wird das Gesetz beschlossen, wäre die Bundesrepublik „der erste Staat weltweit, der Fahrzeuge ohne Fahrer aus der Forschung in den Alltag holt“, erklärte das Bundesverkehrsministerium. Minister Andreas Scheuer (CSU) betonte den Sicherheitsaspekt. Roboterautos ließen sich nicht ablenken und würden nicht müde. Er hob außerdem hervor, dass das automatisierte Fahren einen Innovationsschub für die im Umbruch befindliche deutsche Automobilindustrie bedeutete.
Haftungsfragen nicht geklärt
In der Diskussion um das Gesetz ist insbesondere die Ausgestaltung des Datenschutzes umstritten, zum Beispiel die Frage, ob von den Autos erhobene Daten, etwa über Routen, an Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz übermittelt werden dürfen. Seit längerem wird ferner erörtert, wem die erhobenen Daten eigentlich gehören. Einen Anspruch erheben darauf sowohl die Versicherungswirtschaft als auch die Autohersteller und IT-Unternehmen. Was von technischen Prüforganisationen und Verbraucherschützern kritisiert wird. Unklar ist auch, wer beim Unfall eines Roboterautos haftet: der Fahrer, der Autohersteller oder Dienstleister.
Über kurz oder lang muß auch über Sinn und Grenzen automatisierten Verkehrs öffentlich beraten werden, allein, weil das Problem der überlasteten Straßeninfrastruktur besteht und bereits etliche Kommunen über die Verlagerung und Vermeidung von Verkehr in der City nachdenken. Experten prognostizieren aber sogar einen Anstieg des Straßenverkehrs durch fahrerlose Autos, weil der Zugang zu ihnen durch den Wegfall der Führerscheinpflicht erleichtert wird. Bereits vor zwei Jahren formulierte es der ehemals an der TU Wien lehrende Soziologe Jens Dangschat so: „Wollen wir die neuen Technologien des automatisierten Verkehrs anpassen, oder sollten nur solche Formen des automatisierten Verkehrs zugelassen werden, die dazu beitragen, die aktuellen Verkehrs- und Mobilitätsprobleme zu lösen?“
Diese und weitere offene Fragen werden im weiteren Gesetzgebungsverfahren von Bundestag und Bundesrat zu behandeln sein. Andreas Scheuer drängt auf einen Abschluss bis zur Sommerpause, damit das Gesetz noch vor der Bundestagswahl im September in Kraft treten kann.
(Kristian Glaser/kb/bic)
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