//Kindersicherheit: Lieber radeln statt daddeln

Kindersicherheit: Lieber radeln statt daddeln

Ein Forschungsprojekt beschäftigte sich mit der Frage, wie es gelingt, dass Kinder sicherer mit dem Fahrrad unterwegs sind.

Eben erst erging die Empfehlung eines Nürnberger Marktforschungsinstituts an Autohändler, Kinder gezielt zu Probefahrten einzuladen. In einer repräsentativen Umfrage will das Unternehmen herausgefunden haben, dass die Sprösslinge in zwei von drei Haushalten beim Kauf eines neuen Autos mitentscheiden. „Weil Kinder die ‚digitale Aufrüstung’ der Autos in Richtung Infotainment-Ausstattungen treiben“, so die Marktforscher wörtlich, würden die Händler „mit hoher Wahrscheinlichkeit auch belohnt“. Das bedeutet aber in der letzten Konsequenz, dass die jungen Menschen noch mehr auf ein Gerät starren und vor sich hin daddeln. Schon warnen Mediziner und Pädagogen eindringlich vor den Auswirkungen überbordender Handynutzung auf die Gesundheit, die psychische Entwicklung und das Sozialverhalten.

Was auch Folgen für das sichere Verhalten im Straßenverkehr hat. Das wurde jetzt durch eine sportwissenschaftliche Studie untermauert: „Wir konnten nachweisen, dass Schülerinnen und Schüler Gefahrensituationen im Straßenverkehr schneller erkennen und umsichtiger mit dem Rad fahren, wenn sie regelmäßig Geschicklichkeitsübungen durchführen“, sagte Stefan Voll, Professor für Sportdidaktik und Leiter des Forschungsprojektes „Vorschulische und schulische Mobilitäts- und Verkehrserziehung“ an der Universität Bamberg.

Trotz Radfahrausbildung in der Grundschule sind die Unfallzahlen der 10- bis 14jährigen hoch: Nach offiziellen Angaben verunglückten im Jahr 2018 rund 7.700 Kinder. Den Grund dafür sehen die Bamberger Wissenschaftler in dem Umstand, dass viele Kinder ab der vierten Klasse, also ungefähr ab zehn Jahren, öfter das Rad nutzen. Damit steigt auch das Unfallrisiko.

Aufgeschreckt durch die hohen Unfallzahlen, machten sich Stefan Voll und seine Kolleginnen und Kollegen auf Initiative des Bundesverkehrsministeriums und der Versicherungswirtschaft an das „Radfahrprojekt für die Sekundarstufe I“. Sie wollten herausfinden, ob „neurologisch ausgerichtete Übungs- und Trainingsformen dazu beitragen, die Verkehrssicherheit bei 10- bis 14jährigen Radfahrerinnen und Radfahrern zu erhöhen“.

Bessere Wahrnehmung und sicherere Fortbewegung

Das Forscherteam wandte sich an Kinder zweier Schulen und teilte sie in zwei Gruppen ein: Die „Experimentalgruppe“ führte sechs Wochen lang speziell entwickelte Trainingseinheiten, Radfahr- und andere Tests durch. „Wir haben vor allem die Wahrnehmungsfähigkeit, Konzentration und Entscheidungsfähigkeit geübt, die im Straßenverkehr wichtig sind“, erläutert Voll. Für die jungen Probanden der Kontrollgruppe änderte sich dagegen im Alltagnichts.

Aus ihrer Forschung wissen die Wissenschaftler, dass „koordinative Trainingsformen in den Bereichen Steuerungs-, Reaktions- und Gleichgewichtsfähigkeit nachweislich zu Steigerungen im Arbeitsgedächtnis“ führen und die kognitiven Fähigkeiten erweitern. Genau darum ging es in dem Projekt: bessere Wahrnehmung und sicherere Fortbewegung im komplexen Straßenverkehr.

Zum Abschluss des Projekts wurden die beiden Gruppe miteinander verglichen. Dabei zeigte sich, dass die Kinder der Experimentalgruppe gelernt hatten, umsichtiger beim Radfahren zu agieren und gefährliche Situationen auf dem Übungsplatz schneller zu erkennen. „Gerade die Jugendlichen, die im Fahrradfahren eher unbedarft waren, steigerten sich im sechswöchigen Interventionszeitraum deutlich“, resümieren die Wissenschaftler.

Sie schlagen nun besondere Sicherheitstrainings vor. Diese Anregung will der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) aufgreifen und aus den Bamberger Erkenntnissen ein bundesweites Fahrradsicherheitsprojekt für weiterführende Schulen entwickeln und anbieten.

Beate M. Glaser (kb)
Foto: Deutsche Verkehrswacht