//Das Altmetall-Mekka: Die „Veterama“

Das Altmetall-Mekka: Die „Veterama“

Es riecht nach Bratwurst, Öl und Auspuff, verwegene Männer mit öligen Fingern laufen über matschige Wege. Manche haben Schilder mit Gesuchen und Angeboten umhängen, andere tragen Karosserieteile unter dem Arm, schieben Sackkarren mit Motoren umher oder ziehen Transportwagen mit Rädern, Schildern oder Schaufensterpuppen hinter sich her. Das alles findet nicht etwa in einer indischen Metropole statt, sondern alljährlich Anfang Oktober auf dem Maimarktgelände in Mannheim.

Die „Veterama“ ist seit 45 Jahren Europas größter Markt für Oldtimer und deren Ersatzteile. Wer alle Stände des gigantischen Flohmarktes sehen will, muss über 20 Kilometer zurücklegen. Für die Schrauber unter den Oldtimer-Liebhabern ist die Veranstaltung mehr als nur die Beschaffung lebenswichtiger Ersatzteile, Literatur und Accessoires. Es trifft sich internationales Publikum, es wird gehandelt, palavert und durch die Gassen knattern permanent Fahrzeuge, vom Gartentraktor bis zum großkalibrigen Indian Chopper. Auch ich bin seit rund zwei Jahrzehnten Besucher dieses Mekkas und immer noch verwundert über das Treiben auf dem Platz. Teile habe ich für meine raren Oldtimer bisher selten gefunden, dafür fasziniert mich die Atmosphäre.

Winfried A. Seidel, Betreiber des Automuseums Carl Benz in Ladenburg und Gründer der Veterama ist selber bekennender Schrauber und schildert mir den Werdegang des Mega-Events: Anfang der 70er Jahre fand man historische Fahrzeuge und deren Ersatzteile beim Bauern nebenan in der Scheune, durch zufällige Begegnungen und Gespräche, Kleinanzeigen, auf dem Autofriedhof und manchmal sogar im Straßengraben. 

Seidel als Autoliebhaber und sein Kumpel Walter Metz aus der Motorradfraktion stellten ihr „rostigstes Hobby der Welt“ auf einer Ausstellung auf dem Mannheimer Maimarktgelände dem milde lächelnden Publikum vor. Dabei diskutierten Sie die Problematik, dass jemand in Hamburg einen Anlasser haben könnte, den jemand in München braucht und der Münchner hat vielleicht eine Lichtmaschine, die in Hamburg benötigt wird. Nur ein Austausch auf einer Art überregionalem Ersatzteilmarkt würde die beiden zusammenbringen, denn es gab keine Fachzeitschriften mit Anzeigenteilen, geschweige denn eine Vernetzung wie das Internet.

Als „Mannheimer Fugger“ fand dann im Jahre 1975 in einem ehemaligen Wehrmachtsdepot der erste Markt seiner Art statt. Doch der Name sollte nicht lange halten, ließ doch die Gräflich der Fugger‘sche Dynastie über einen Rechtsanwalt verlauten, dass ihr Name aus dem Tauschhandel von Gebrauchtmetall herauszuhalten sei.

Die beiden Gründer überlegten erneut und Metz plädierte auf „VeteMaMa“, den Veteranenmarkt Mannheim. Doch Seidel zweifelte sehr daran, dass Frauen ihre Männer auf eine Veranstaltung mit diesem Namen lassen würden und so entstand der Name „Veterama“. Bald wurde der Markt so groß, dass man in die von der Bundesgartenschau übrig gebliebene Merohalle umziehen musste. Mit dem weiteren Wachstum zog man dann in den 80ern auf das neue 260.000 m² große Maimarktgelände. 

„Seit Jahren ist der Andrang der Aussteller so groß, dass man seinen Platz lange im Voraus buchen muss“, so Seidel. „Aber für spontane Händler aus fernen Ländern haben wir immer noch ein geheimes Kontingent frei“ ergänzt er.

Für Seidel sind Oldtimer kein reines Investment, viel mehr schätzt er, wie die Besucher seiner Veranstaltungen, die Zeit für das Hobby, den Spaß und die Lebensqualität, die historische Fahrzeuge mit ihrer Langsamkeit und simplen Technik vermitteln. Dennoch wurde jetzt durch Seidels Tochter Julia Mercedes vor wenigen Jahren eine Halle für edlere Fahrzeuge angeregt, damit auch die „Oldtimerfahrer in Führungspositionen“ zu ihrem Recht kommen.

Die Zukunft seiner Veranstaltung sieht Seidel dennoch nicht nur rosig. Trotz des hohen Andrangs steht der Markt für klassische Fahrzeuge auf einem Scheitelpunkt. „Das liegt weniger am Mangel junger Schrauber“, erklärt Seidel, „die alten Hasen sterben einfach aus“. Die kleinen Spezialbetriebe wie Stellmacher, Sattler oder Lackierer schließen ihre Betriebe oder müssen aus wirtschaftlichen Gründen die aufwändigen Restaurationen von Oldtimern ablehnen.

„Wir leben in einer zunehmend autofeindlichen Gesellschaft“, sagt er. „Einige Bevölkerungsgruppen könnten Oldtimer eines Tages weniger als eine kulturelle Bereicherung als vielmehr als umweltpolitische Provokation ansehen“. Das Treiben in der letzten Zufluchtsburg echter Männer mit Benzin im Blut wurde nach dem Terroranschlag in Berlin und dem Flughafenbrand in Düsseldorf durch neue Auflagen reglementiert. Seitdem herrschen striktere Verbote für offene Grills und Feuer, zudem kontrollieren jetzt Security Mitarbeiter das Feld.

Skurril und außergewöhnlich bleibt die Veranstaltung weiterhin, da bin ich mir sicher. Abends fährt sogar ein Lkw mit Liveband über das Gelände und alle singen mit. Bedingt durch die Vertretung meist männlicher Interessen ist es zudem der einzige mir bekannte Event, auf der es keine Schlange vor den Damentoiletten gibt, dafür sich aber die Schlangen vor den Herrentoiletten nur langsam verkürzen, weil jeder die Angebotszettelchen für Fahrzeuge und Teile liest, die an den Türen kleben.

Seit diesem Jahr gehöre auch ich zu den Männern, die Fahrzeuge oder deren Teile über den Markt schleppen. Ein Freund kaufte im Vorbeigehen das Wrack eines seltenen AMI Motorrollers aus der Schweiz. Leider verließ er dabei das Veteramagelände und war schon auf dem Nachhauseweg, denn auch die harten Kerle müssen einmal Heim zu Mutti. Als guter Freund sprang ich ein, lieh mir von einem Stand eine Sackkarre, schnallte das Wrack darauf, zog es quer über den Markt und wurde somit Bestandteil der Kulisse. Das ist Veterama.

Text und Fotos: Ralf Hermanns