//Langer Weg bis zum autonomen Fahren

Langer Weg bis zum autonomen Fahren

  • Roadshow der Technischen Universität München zum autonomen Fahren
  • Die Autobranche hat noch einen langen Weg mit vielen Hürden vor sich

Das autonome Fahren stößt in der gesellschaftlichen Diskussion zunehmend auf Interesse. Gleichwohl ist der Weg dorthin noch hart und steinig. Davon zumindest zeigte sich Prof. Dr.-Ing. Markus Lienkamp von der Technischen Universität München (TUM) anlässlich einer Roadshow „Autonomes Fahren“ überzeugt.

„Es ist eine Illusion zu glauben, dass wir in zwei bis drei Jahren autonom fahren werden“, stellte der TUM Professor Markus Lienkamp, Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik, zum Auftakt der Roadshow „Autonomes Fahren“ klar. Die Politik habe es sich bisher auf diesem Gebiet zu einfach gemacht. Entscheidend sei jedoch, dass die neuen Systeme sicher sind, auch sicherer als der menschliche Fahrer. So sei es zwar eine schöne Vorstellung, weniger Unfälle und kaum noch Staus zu haben und schließlich entspannt ans Ziel zu gelangen. Doch seien noch einige Hürden zu überwinden, bis die Autofahrer das Steuer tatsächlich an die künstliche Intelligenz abgeben könnten, betont der Professor. Entsprechend entscheide sich derzeit sehr viel, beispielsweise wer mit wem auf dem Gebiet des autonomen Fahrens kooperiere. Überhaupt sei die Gefahr, sich zu verzetteln, groß.

Einblick in sechs Forschungsfelder
Seit 2006 forscht die TUM zum Thema „Autonomes Fahren“. Um der Presse jetzt einen Einblick zum aktuellen Stand zu geben, präsentierte die Arbeitsgruppe „Autonomes Fahren“ an der TUM in der Fakultät für Maschinenwesen auf dem Forschungscampus Garching sechs Forschungsfelder in diesem Bereich: Umfeldwahrnehmung, Planung und Regelung, Mensch-Maschine-Schnittstelle, Funktionale Sicherheit und Homologation, Teleoperiertes Fahren sowie Daten und Testen.

„Rekonstruktion der Welt aus Bildern“
Im Bereich Umfeldwahrnehmung wurde den Teilnehmern der Veranstaltung zunächst ein visuelles SLAM-Testfahrzeug präsentiert. Dabei steht SLAM für „Schnellladenetz für Achsen und Metropolen“, ein im April 2014 gestartetes und im Februar 2019 abgeschlossenes Großprojekt, bei dem Partner aus Wissenschaft und Industrie gemeinsam den Grundstein für den Auf- und Ausbau eines flächendeckenden Schnellladenetzes in Deutschland gelegt haben. Die Professoren Daniel Cremers (Bildverarbeitung und Künstliche Intelligenz), Markus Lienkamp und Daniel Straub (Risikoanalyse und Zuverlässigkeit) zeigten anhand der Erstellung von dynamischen 3D-Karten mit herkömmlichen Kameras eindrucksvoll, welche zentrale Rolle die Kartierung für das autonome Fahren spielt. Die Fragen „Wo bin ich? Wo ist die Welt?“ seien bei der „Rekonstruktion der Welt aus Bildern“ entscheidend für das autonome Fahren. Begonnen wurde dieses Projekt übrigens bereits 2005 mit dem Daimler Konzern. „Wir können heute mit Computern Dinge realisieren, zu denen ein Mensch nicht fähig ist, da dieser Handlungen nicht so synchron erfassen kann“, betont Professor Cremers. Weitere Themen dieser Station waren die Sensorfusion zur Objekterkennung sowie die künstliche Intelligenz zur Objekterkennung im Echtzeitbetrieb.

Autonomes Level-5-Fahren auf der Rennstrecke
Die Station Planung und Regelung unter Leitung von Alois Knoll, Professor für Echtzeitsysteme und Robotik, Boris Lohmann, Professor für Regelungstechnik, Matthias Althoff, Professor für Cyber-Physical Systems, Markus Lienkamp und Florian Holzapfel, Professor für Flugsystemdynamik, beschäftigte sich im Wesentlichen mit neuen Ansätzen zur sicheren Planung von fahrbaren Trajektorien (Lat. Bahnkurve) sowie der Trajektorienoptimierung, mit der formal verifizierten Planung und Steuerung von autonomen Fahrzeugen, mit der kooperativen Planung für kooperatives autonomes Fahren mit dem Lkw sowie dem Benchmarking von autonomen Planungsansätzen. Ein Highlight stellte dabei das Projekt Roborace dar, das anhand eines Modelfahrzeugs autonomes Level-5-Fahren auf der Rennstrecke demonstrierte.

Die Rollenverteilung zwischen Mensch und Maschine ändert sich
Die Roadshow-Station Human-Machine Interface (HMI) unter Leitung der Professoren Klaus Bengler (Ergonomie) und Markus Lienkamp sowie der TUM CREATE, einem gemeinsamen Forschungsprojekt der TUM mit der Nanyang Technological University (NTU) in Singapur, machte schnell klar, wie sich die Rollenverteilung zwischen Mensch und Maschine durch das autonome Fahren im öffentlichen Raum ändern wird. Dargestellt wurde dies anhand externer und interner HMI-Konzepte sowie der Innenarchitektur für automatisierte Fahrzeuge, an einem Virtual-Reality-Fußgänger-Interaktionssimulator sowie einem Lkw-Fahrsimulator.

Auf Nummer sicher
Die Station Funktionale Sicherheit und Homologation (Professoren Matthias Althoff, Daniel Straub, Markus Lienkamp, Wolfgang Utschick (Methoden der Signalverarbeitung)) beschäftigte sich mit den Themen ausfallsicherer Betrieb mit garantierter Kollisionsvermeidung, mengenbasierte Vorhersage zur Bewältigung unsicherer Umgebungen, Online-Verifizierung von künstlicher Intelligenz, automatische Testfallgenerierung und Sicherheitsvalidierung der Umgebungswahrnehmung.

Teleoperiertes Fahren in den kommenden zehn bis 20 Jahren
Mit dem Fachgebiet des teleoperierten Fahrens (Professoren Markus Lienkamp und Christoph Lütge vom Peter Löscher-Stiftungslehrstuhl für Wirtschaftsethik) beschäftigt sich die TUM bereits seit 2010. Allerdings nimmt dieser Bereich, der den „Menschen als Backup“ benötigt, immer mehr an Fahrt auf, nachdem feststeht, dass diese Art des Fahrens noch mindestens zehn bis 20 Jahre benötigt wird. Bei der Praxisdemonstration dieses Fachgebiets sitzt der Fahrer oder die Fahrerin vor einem Simulator und steuert das Auto per Funk. Auch die sogenannte visuelle Lokalisation des Autos wurde gezeigt. Das Auto bestimmt bei dieser Technologie per Kameradaten seine Position und kann so zum Beispiel erkennen, ob es sich noch innerhalb der Fahrbahnspur befindet. Zudem zeigten die Forscher eine virtuelle Darstellung der Interaktion zwischen Fahrzeugen und Fußgängern.

Ethik für autonomes Fahren
Abgerundet wurde die Roadshow von der Station Daten und Testen (Professoren Markus Lienkamp und Christoph Lütge). Anwendungsgebiete dafür sind das Carsharing, Taxis oder auch Ladestationen. Hier wurden die Themen Hardware in der Loop-Simulation für autonomes Fahren, autonomes Fahrzeugkonzeptionswerkzeug, Innenraumkonzepte für autonome Fahrzeuge, Mobilitätsdatenerfassung von Fuhrparks und E-Fahrzeugsimulationen sowie Ethik für autonomes Fahren behandelt.
Fazit: Das autonome Fahren kommt. Die Technik ist hier weit vorangeschritten. Jetzt wird es darauf ankommen, dieses Thema in die Köpfe der Menschen zu bringen und deren Erwartungen zu schärfen, so Professor Markus Lienkamp. Der Presse werde dabei eine entscheidende Rolle zukommen, ist der TUM Professor und ehemalige VW Manger fest überzeugt.

Text und Fotos: Isabella Finsterwalder