Studie über Zusammenhänge zwischen verkehrsauffälligem und kriminellem Verhalten
Menschen, die Verkehrsdelikte begehen, halten sich seltener an soziale Regeln, übertreten häufiger das Gesetz oder begehen kriminelle Delikte. Dies belegt der Kriminologe Dr. Achim Roth in seiner Dissertation mit dem Titel „Zusammenhänge zwischen der Verursachung von Verkehrsunfällen und dissozialem/kriminellem Verhalten“. Die bei Professor Dr. Rainer Banse vom Institut für Psychologie der Universität Bonn vorgelegte Untersuchung ist eine in diesem Umfang für Deutschland bisher einzigartige Studie, weil sie auf Tätigkeitsberichte der Polizei zurückgreifen kann und das Bild unterhalb der Straftatenschwelle einbezieht.
Weil selbst Polizeibeamter – Roth lehrt an der Hochschule der Polizei Baden-Württemberg in Bruchsal Verkehrsrecht – standen dem Autor Daten eines ganzen Regierungsbezirks zur (anonymisierten) Auswertung zur Verfügung, und zwar sozusagen unterhalb des Radars der Justiz, auf dessen Schirm sich einschlägige Untersuchungen üblicherweise beziehen. „Verurteilte Kriminalität“, sagt Prof. Banse, „ist ja nur die Spitze des Eisbergs, macht nur einen kleinen Teil der tatsächlichen Strafdaten aus“. Roth konnte mit den Polizeidaten auch die dissozialen Verhaltensmuster jener Menschen abbilden, die einer Straftat verdächtig waren, ohne verurteilt zu werden, sowie von nach Vorfällen unterhalb der Schwelle einer Straftat polizeilich erfassten Personen. Beispielsweise auffällige Streitereien zählen dazu, Ruhestörung, Gewaltandrohung etc..
Das Ergebnis generell: Wer Unfälle verursacht hat, steht häufiger als andere in Kontakt mit der Polizei. Konkreter in Zahlen: Wer einen Verkehrsunfall verursacht, für den steigt das Risiko, erneut polizeilich registriert zu werden, um den Faktor 1,5. War es ein Unfall mit Personenschaden, waren Alkohol oder Drogen im Spiel oder ist der Verursacher vom Unfallort geflohen, steigt das Risiko sogar um das 2,4-fache. Berücksichtigt man nur Vorfälle, bei denen es zwar zu einem Polizeieinsatz kommt, die aber noch keine Straftaten darstellen, steigt die Wahrscheinlichkeit um den Faktor 4,6, nach einem schweren Unfall erneut Bekanntschaft mit der Polizei zu machen.
Umgekehrt war es nicht möglich, nachzuweisen, dass Menschen, die bereits einmal verurteilt waren, häufiger in Unfälle verwickelt waren oder diese verursacht haben. Dazu standen allerdings deutlich weniger Daten zur Verfügung. Außerdem vermutet Banse, dass allein schon jene wegen Raubs oder Einbruchs verurteilten Delinquenten aufgrund häufiger Haftzeiten weniger Zeit zum Fahren haben oder nicht im Besitz eines Führerscheins beziehungsweise eines Autos waren, was sich als „Schutzfaktor“ ausgewirkt habe. Feststellbar sei es jedoch gewesen, dass Leute, die der Eigentumskriminalität verdächtigt waren, vier- bis fünffach häufiger auch Verkehrsstraftaten begangen haben. Fahren unter Einfluss von Alkohol und Drogen gehören hierzu oder Fahren ohne Führereschen. Eine erhöhte Verwicklung in Verkehrsunfälle war jedoch nicht nachzuweisen.
Wer ständig kriminelle Delikte begehe, dessen Fahreignung könne durchaus überprüft werden. Möglicherweise sei auch der Informationsaustausch zwischen Polizei und Führerscheinbehörden hinsichtlich der charakterlichen Eignung bei Fahrerlaubnisinhabern zu verbessern. Banse warnt jedoch vor dem möglicherweise fraglichen Erfolg eines Führerscheinentzugs. Wer sich sowieso nicht regelkonform verhält, fährt auch ohne Fahrerlaubnis weiter. Sinnvoller sei es aus psychologischer Sicht, eine „Verkehrstherapie“ zu verordnen oder zu intervenieren, um auf das Verhalten Einfluss zu nehmen.
Erich Kupfer