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VdM-Verkehrssicherheitspreis für Mercedes-Sicherheitsexperten

Düsseldorf – Der Verband der Motorjournalisten ehrt in diesem Jahr Professor Dr.-Ing. Rodolfo Schöneburg mit dem Goldenen Dieselring. Der Leiter Passive Sicherheit und Fahrzeugfunktion Mercedes-Benz Cars wird mit dem VdM-Verkehrssicherheitspreis für die Entwicklung des Pre-Safe-Konzeptes zur Serienreife und als einer der Wegbereiter des Integralen Sicherheitsansatzes ausgezeichnet. Professor Schöneburg erhielt die Auszeichnung am 26. April in einem Festakt in der Classic Remise Düsseldorf.

Mit dem Goldenen Dieselring, in den ein Splitter des ersten Versuchsmotors von Rudolf Diesel aus dem Jahr 1893 eingearbeitet ist, ehrt der Verband der Motorjournalisten seit 1955 jährlich herausragende Persönlichkeiten, die sich um die Verkehrssicherheit und die Verringerung von Unfallfolgen verdient gemacht haben. Professor Schöneburg, der diesjährige Preisträger, ist das 67. Mitglied im illustren Kreis der Dieselringträger. „Er ist zweifellos der herausragende Vertreter der jungen Generation in den für die Sicherheit verantwortlichen Entwicklungsabteilungen der deutschen Fahrzeughersteller“, urteilte Professor Dr.-Ing. Klaus Langwieder, Dieselringträger des Jahres 1995, in seiner Laudatio. „Unter seiner Leitung wurde das Pre-Safe-Konzept bei Mercedes-Benz zur Serienreife entwickelt und 2002 erstmals in der S-Klasse eingesetzt.“

„Bei der Weiterentwicklung von Fahrzeugsicherheitssystemen wird die Phase vor dem Unfall immer wichtiger“, erläutert Professor Schöneburg. Auch das Pre-Safe-System wird unmittelbar vor einem drohenden Crash aktiviert: die Gurtstraffer treten in Aktion, Schiebedach und Fenster werden geschlossen. In den folgenden Jahren entwickelten die Mercedes-Techniker das System kontinuierlich weiter. „Pre Safe Impuls“ nennt Mercedes die aktuelle Entwicklungsstufe. „Wenn beispielsweise ein Seitenaufprall droht, werden die Insassen künftig durch einen Impuls über die Sitzlehne gezielt in die Fahrzeugmitte gestoßen, um so den Abstand zur Gefahrenzone zu vergrößern“, beschreibt Professor Schöneburg einen Teilaspekt. Aktiviert werden die neuen Sicherheitssysteme etwa eine halbe Sekunde vor dem Crash, wenn der Unfall nicht mehr vermeidbar ist. Voraussetzung dafür: Das Fahrzeug muss die kritische Situation sicher erkennen. „Wie der Mensch setzen wir heute auch in der Fahrzeugtechnik dazu alle Sinne ein. Die Autos fühlen, sehen und kommunizieren.“ Sensoren erfühlen beispielsweise kritische Lenk- und Fahrzeugbewegungen, Radar- und Kamerasysteme beobachten die Fahrzeugumgebung und erkennen gefährliche Situationen und künftig werden unsere Autos über Car-to-Car-Kommunikation auch untereinander Informationen austauschen, die Unfälle vermeiden helfen.

„Unsere Vision ist das unfallfreie Fahren“, sagt der Mercedes-Sicherheitsexperte. „Das gibt uns eine klare Entwicklungsrichtung vor, auch wenn wir dieses Ziel wohl nie ganz erreichen werden, aber mit unserer integralen Sicherheitsstrategie wollen wir dazu beitragen, die ungeheure Zahl von weltweit 1,3 Millionen Verkehrstoten zu reduzieren.“ Seit den Arbeiten des legendären Béla Barényi gehört es zum Mercedes-Anspruch, Trendsetter in Sachen Sicherheit zu sein. Für die Umsetzung der damit verbundenen Sicherheitsstrategie ist seit 1999 Professor Schöneburg mit seinem Team verantwortlich. Vier Bausteine bilden heute diese Strategie. Systeme zur aktiven Sicherheit sorgen dafür, dass moderne Autos „Sicher Fahren“. „Präventiv Agieren“ ist der zweite Baustein überschrieben. Konzepte wie „Pre Safe Impuls“ helfen, Unfallfolgen zu vermindern. Teil drei der Strategie nennt Mercedes „Adaptiv Schützen“. Hier geht es darum, die Insassen bei einem Unfall vor Verletzungen zu schützen. Sicherheitsgurt und Airbag sind hierfür Beispiele, für die es immer noch Verbesserungspotentiale gibt.

„In der neuen S-Klasse werden wir erstmals einen aufblasbaren Sicherheitsgurt einführen“, berichtet Professor Schöneburg. Vor allem für ältere Insassen und Kinder im Fond sei die Brustbelastung durch den Sicherheitsgurt bei einem schweren Aufprall sehr hoch. Der neue „Beltbag“ besteht aus einem vierlagigen Gurt, der von unten wie ein Airbag aufgeblasen wird und die Mitfahrer auf der Rückbank weich auffängt. Ergänzt wird der Sicherheitsgurt zudem um ein beleuchtetes, aktives Gurtschloss, das beim Öffnen der Fondtür ein Stück aus dem Sitz hochfährt, um das Anschnallen hinten zu erleichtern. „Retten und Sichern“ lautet schließlich die Überschrift über dem vierten Sicherheitsbaustein. Dazu werden nach einem Unfall beispielsweise der Motor aus- und die Warnblinkanlage eingeschaltet. „Bei Airbags mit zweistufiger Auslösung wird zur Sicherheit der Insassen und des Rettungspersonals nach dem Unfall automatisch mit einer Entsorgungszündung auch die zweite Stufe ausgelöst, wenn durch den Unfall nur die erste Stufe gezündet wurde.“

Rund 400 Mitarbeiter arbeiten dazu bei Mercedes in Sindelfingen unter Professor Schöneburgs Leitung übergreifend für alle Mercedes-Pkw- und Smart-Modelle an Systemen zur Passiven Sicherheit und in der Unfallforschung, führen Crash-Tests und Betriebssicherheitsversuche durch und berechnen die Fahrzeugkonstruktionen hinsichtlich Steifigkeit, Festigkeit und Crashverhalten. Mit ihrem Sicherheitsmandat stellt Schöneburgs Center mit direktem Draht zum Vorstand sicher, dass vom Design über die Entwicklung und Produktion bis zur Beobachtung der Fahrzeuge im Markt eine über alle Modelle hinweg gleich hohe Fahrzeugsicherheit erfüllt wird. „Schließlich ist ‚Vorbildliche Sicherheit‘ als Markenkernwert bei Mercedes-Benz fest verankert“, so Professor Schöneburg.

Oft geht es dann um den optimalen Kompromiss. So verlangt die Betriebsfestigkeit, lasttragende Teile steif zu konstruieren. Bei einem Unfall dagegen sollten die Teile möglichst nachgiebig sein und Energie abbauen helfen. „Es macht deshalb Sinn, dass die Bereiche Sicherheit und Betriebsfestigkeit in einer Hand liegen“, urteilt Professor Schöneburg. Genauso übrigens wie die Bereiche Unfallforschung und Prüffeld, die ebenfalls zu seinem Center zählen. Rund 100 reale Unfälle analysiert sein Team jedes Jahr im Detail und gewinnt daraus unter anderem Erkenntnisse für neue Sicherheitssysteme oder zusätzliche Crash-Tests. So gehören bei Mercedes beispielsweise außerhalb der gesetzlichen Vorgaben ein Dachfalltest und spezielle Offset-Heckaufprallversuche zum Crash-Programm. Die Unfallforschung liefert zudem Erkenntnisse über den Nutzen neuer Sicherheitssysteme in Mercedes-Fahrzeugen – mit manchmal spektakulären Erfolgsmeldungen. So sank die Zahl der Alleinunfälle nach Serieneinführung des ESP-Systems um 44 Prozent. Ausgestattet mit dem Bremsassistenten verringerte sich mit Mercedes-Pkw die Zahl der Fußgängerunfälle um 13 Prozent.

Für den 1959 in Venezuela geborenen Ingenieur und Vollbluttechniker Professor Schöneburg ist das Thema Sicherheit auch deshalb besonders spannend, weil er hier das komplette Fahrzeug über seine gesamte Laufzeit im Fokus hat. „Ich bin nie von der Sicherheit weggekommen“, umreißt er seinen beruflichen Werdegang. Das Studium der Luft- und Raumfahrttechnik an der Technischen Universität Berlin beendete er 1988 mit seiner Promotion zum Dr.-Ing. und dem Thema „Zur Berechnung des Crashverhaltens von Fahrzeugen mit einfachen Strukturmodellen“. Zwischen 1988 und 1999 war er dann bei Audi zunächst vor allem für Berechnung und den Insassenschutz zuständig und schließlich Leiter Sicherheit Gesamtfahrzeug. 1999 wechselte er zur Daimler AG, wo er der Experte für alle Sicherheitsfragen ist. Sein umfassendes Wissen gibt er als Honorarprofessor inzwischen in Vorlesungsreihen zur „Integralen Fahrzeugsicherheit“ an der Technischen Universität Dresden und der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden an Studenten weiter.

In seiner Freizeit setzt sich der verheiratete Vater dreier Kinder gerne auch auf sein Motorrad für eine Spritztour auf die Schwäbische Alb. „Eine Rennmaschine würde ich mir nie kaufen, ich bin eher der Cruiser“, berichtet er. Dazu passt auch seine Harley Road King, die mit bequemer Sitzposition und viel Chrom eher zur entspannten Tour über landschaftlich schöne Landstraßen animiert. „Unter heutigen Sicherheitsstandards würde wohl niemand auf die Idee kommen, so etwas wie ein Motorrad zu entwickeln.“ Vielleicht ist es gerade dieser Anachronismus, der dem Mercedes-Sicherheitsexperten Spaß macht.