Seit Jahrzehnten klagen Lkw-Fahrer über fehlende Stellplätze an den deutschen Autobahnen. Der Mangel ist riesig. „Jede Nacht suchen rund 23.500 Trucker entlang deutscher Autobahnen vergeblich einen legalen Parkplatz für ihren Lkw“, ermittelte die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) in einer Untersuchung. Nach Erkenntnissen des ADAC finden „nur 70.000 Trucker einen Parkplatz“, und der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) geht sogar davon aus, dass zur Zeit etwa 35.000 Stellplätze fehlen, damit die Berufskraftfahrer ihre gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten entspannt einhalten können. Doch die Bundesregierung plant, lediglich 90 Millionen Euro aufzuwenden, um damit 4.000 Stellplätze zu errichten. Das ist nicht mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein.
Nach Angaben der BASt ist die Situation in den großen Flächenländern Bayern und Nordrhein-Westfalen am kritischsten. Durch den Parkplatzmangel kommt es hier nicht nur zu vermehrtem Suchverkehr nach einem geeigneten Abstellplatz, die Fahrer überschreiten dabei notgedrungen auch die gesetzlich vorgeschriebene maximale Lenkzeit. Dann parken sie illegalerweise in Wohngebieten, in Ausfahrten der Rastanlagen oder –noch gefährlicher – auf Standstreifen. Vermehrte Lkw-Unfälle sind unweigerlich die Folge.
In einem aktuellen Rechtsgutachten der Universität Erlangen-Nürnberg, das ein Anbieter von Logistiksoftware im Auftrag gegeben hatte, wird Deutschland bescheinigt, mit dieser unhaltbaren Situation EU-Recht zu brechen. In dem Gutachten wird kritisiert, dass die Infrastruktur vernachlässigt und damit ein umweltbelastender Suchverkehr verursacht werde. Darüber hinaus werde die staatliche Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Straßennutzer verletzt. Daraus ziehen die Wissenschaftler die Konsequenz, dass der Bund seiner gesetzlichen Pflicht zur Verkehrssicherung nicht nachkommt, wenn er die Parkplatznot langfristig duldet.
Doch damit nicht genug. Der Rechtsprofessor Klaus Maßerschmidt, der Leiter der Studie, kommt außerdem zu dem Ergebnis, dass die Bundesrepublik ausländische Spediteure benachteilige: „Deutschland zieht den Vorwurf auf sich, dass die unzureichende Parkplatzvorhaltung grenzüberschreitende Transporte noch härter trifft als inländische.“ Damit handele sich die Bundesrepublik den Vorwurf der indirekten Diskriminierung ein.
Das könnte zu empfindlichen politischen Konsequenzen auf EU-Ebene führen, denn für die EU-Kommission ist der grenzüberschreitende Warenverkehr eminent wichtig. Immerhin verklagte sie im vergangenen Jahr Dänemark, weil dort die Parkzeit für Lkw auf öffentlichen Rastplätzen auf 25 Stunden begrenzt worden war. Auch diese Maßnahme traf den grenzüberschreitenden Gütertransport härter als den Binnenverkehr. Eine ähnliche Klage könnte also über kurz oder lang auch der Bundesregierung drohen.
Beate M. Glaser (kb)
Foto: ADAC Mittelrhein/Getty Images/ollo