Die scharfen EU-Vorgaben für die Kohlendioxidemission (CO2) von Pkw sind seit langem bekannt: Seit Januar müssen die Autohersteller den durchschnittlichen CO2-Ausstoß ihrer verkauften Neufahrzeuge auf unter 95 Gramm pro Kilometer (g/km) in Europa reduzieren. Das entspricht einem Kraftstoffverbrauch von 3,6 Liter Diesel oder 4,1 Liter Benzin auf 100 Kilometer. Solche Werte erreichen derzeit gerade einmal besonders sparsame Kleinwagen – auf dem Papier.
Allerdings sollen für eine Übergangszeit noch einige Ausnahmen gelten: Bis 2022 werden lediglich 95 Prozent der verkauften Neuwagen in die Berechnung einbezogen. Die Fahrzeuge mit den meisten Schadstoffen werden einstweilen herausgenommen. Gleichzeitig werden Elektro-Pkw doppelt gewertet, und es gibt einen Rabatt für Hersteller, die besonders schwere und verbrauchsstarke Autos im Angebot haben.
Dennoch drängt die Zeit. Die Transformation bei den Antriebsarten muß rasch erfolgen, denn die Strafen, welche die Europäische Union bei Überschreitung des Grenzwertes vorsieht, sind alles andere als lasch: 14,5 Milliarden Euro könnten 2021 auf die Autohersteller zukommen, hat eine Beratungsfirma errechnet, weil das Angebot an Elektroautos nicht in Gang komme und die Hybridautos nicht ausreichten. Allein Volkswagen müßte demnach bei schätzungsweise 109,3 g/km CO2 im Schnitt mit einer Bußzahlung von 4,5 Milliarden Euro rechnen.
Derzeit sieht es also noch nicht günstig aus, weder für das Klima noch für die Autohersteller. Im letzten Jahr stieg der Verkauf von reinen Elektro-Pkw und Plug-in-Hybriden zwar um scheinbar ansehnliche 60 Prozent. Jedoch sind in absoluten Zahlen 108.600 Einheiten ein nach wie vor sehr kleiner Anteil bei insgesamt 3,6 Millionen neuzugelassenen Pkw. Eine weitere Zahl zeigt, wie eng es für die Hersteller wird: Im Januar reduzierte sich zwar der durchschnittliche CO2-Ausstoß der neuzugelassenen Pkw im Vergleich zum Vorjahresmonat um 4,5 Prozent, lag aber mit 151,5 g/km erheblich über dem jetzt geltenden Limit, und zwar um über 60 Prozent.
Die Bundesregierung hofft nun, daß der aufgestockte „Umweltbonus“, der hälftig von den Herstellern und von der öffentlichen Hand geleistet wird, die E-Auto-Konjunktur beflügelt. Nunmehr sollen bis 2025 maximal 700.000 Neu-Pkw gefördert werden: Bei einem Listenpreis von bis zu 40.000 Euro steigt die Prämie von 4.000 auf 6.000 Euro pro batterieelektrischem Auto. Teurere Stromer, die bis zu 65.000 Euro kosten, werden mit 5.000 Euro gefördert. Oberklassemodelle jenseits dieser Grenze, wie von Audi oder Tesla, werden nicht berücksichtigt.
Allerdings ist der ausgeweitete Bonus nicht, wie angekündigt, zu Jahresanfang in Gang gekommen. Der Grund: Die EU-Kommission läßt sich mit dem nötigen Placet Zeit. Daher sind einige Hersteller nervös geworden, denn in Erwartung der höheren Kaufprämie halten sich vor allem die privaten Kunden bereits seit Oktober mit dem Kauf eines E-Autos zurück. Daher haben einige Firmen angefangen, den staatlichen Anteil am erhöhten Bonus selbst zu übernehmen, um den Kauf anzukurbeln, bis aus Brüssel grünes Licht kommt.
Aber auch mit der höheren Subvention bleiben die Stromer teuer. Die Reichweiten sind trotz aller Fortschritte begrenzt und nicht für jedermanns Zwecke ausreichend. Die Defizite bei der Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum wie auch im privaten Wohnumfeld sind nicht behoben, auch wenn es von der politischen Seite entsprechende Anstrengungen gibt. Zudem wächst das Murren der Verbraucher über das Durcheinander, die Intransparenz und die preisliche Höhe bei den verschiedenen Tarifen für den Ladestrom. Angesichts der vielen Probleme muß man unter dem Strich wohl feststellen, daß Politik und Wirtschaft zu lange gewartet haben, die Herausforderungen anzugehen.
Gleichwohl sind die Unternehmensvertreter optimistisch. Zweckoptimistisch? Volkswagen erwartet einerseits eine Kulanz bei den CO2-Grenzwerten – 121,9 g/km CO2 wären gut 30 Prozent über dem jetzt gültigen Limit. Andererseits setzen die Wolfsburger auf ihre „Elektrooffensive“, wonach bis 2025 mindestens jedes fünfte verkaufte Neufahrzeug keinen Verbrennungsmotor haben soll. Ähnlich hoffnungsvoll ist man bei Mercedes. Auch hier setzt man auf eine Mischung aus Entgegenkommen der Politik und eigenem Maßnahmepaket.
In ihrer CO2-Bilanz müssen die Autohersteller allerdings die hohen Verkaufszahlen bei den SUV berücksichtigen. Die schweren und verbrauchsstarken Wagen fuhren im vergangenen Jahr mit einem Marktanteil von 21 Prozent erstmals allen anderen Segmenten im bundesdeutschen Automarkt davon. Nicht zu vergessen, daß der Absatz von Dieselfahrzeugen weiter sinkt, die zwar wegen der Stickoxid- und Partikelemissionen teils heftigste Ablehnung erfahren, bei den CO2-Emissionen aber besser als Benziner ausfallen.
Daher muß wohl noch stärker umgesteuert und das auf politischer wie industrieller Seite mit Nachdruck nachgeholt werden, was in den letzten Jahren verabsäumt wurde.
Olaf Walther (kb)
Foto: Volkswagen