Die Funktionsfähigkeit des Autobahnnetzes wird maßgeblich von Sicherheit und Leistungsfähigkeit ihrer Brücken beeinflusst. Ein guter Grund, bei diesen Projekten genau hinzuschauen. Gelegenheit für eine Visite bot sich nach der Inbetriebnahme der südlichen Brückenhälfte der A1 Rheinbrücke Leverkusen. Hierzu hatten der Leiter des VdM Regionalkreis West, Dipl.-Ing. Klaus Ridder, und der Projektleiter der Autobahn GmbH, Niclas Nösel, eingeladen.
Nicht nur die Verkehrsteilnehmer merken, wie wichtig eine moderne, leistungsfähige Infrastruktur ist. Bei vielen von ihnen hat sich die tägliche Fahrzeit zum Arbeitsplatz in den vergangenen Jahren deutlich verlängert. Der Zustand der Infrastruktur spiegelt auch den Zustand der Volkswirtschaft wider und hat somit direkte Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum des Landes. Verantwortlich für den maroden Zustand von Straßen und Schienennetz ist die Tatsache, dass in der Vergangenheit zu wenig investiert wurde. Seit dem Jahr 2000 beliefen sich die öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur auf etwa 2,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und lagen damit deutlich unter dem EU Durchschnitt mit 3,7 Prozent.
500 Milliarden Euro schweres Infrastruktur-Sondervermögen
Die Aussage der Bundesregierung, „aus eigener Kraft wieder zu einer Wachstumslokomotive zu werden”, wird durch ein 500 Milliarden Euro schweres Infrastruktur-Sondervermögen untermauert. Neben den Mitteln zum Abbau des gigantischen Investitionsrückstands in der Verkehrsinfrastruktur müssen jedoch auch die ökologische und digitale Transformation der Volkswirtschaft finanziert werden. Angesichts der Bereitstellung des Sondervermögens scheint die Finanzierung der begonnenen Verkehrsprojekte auf den ersten Blick gesichert. Damit Planung, Bau, Betrieb, Erhaltung und Finanzierung funktionieren, hat der Bund die Autobahn GmbH gegründet. Die Anfang 2021 in Dienst gestellte, rund 14.000 Mitarbeiter starke Bundesbehörde untersteht dem Bundesministerium für Verkehr (ehemals Bundesministerium für Digitales und Verkehr). Neben den technischen Aufgaben ist sie auch für die vermögensmäßige Verwaltung der Autobahnen in Deutschland zuständig.
Begutachtung der Brücke und ihrer weiteren Planung
Begleitet von einigen Ingenieuren des VDI Köln, die sich besonders über den Ingenieurnachwuchs und die Ausbildung von Fachkräften informierten, ließen sich die 21 Teilnehmer der Visite der 1.067 Meter langen A1 Rheinüberquerung bei Leverkusen zunächst im Büro der Baustellenleitung über den aktuellen Stand und die weiteren Planungsabsichten berichten. Anschließend begab sich die entsprechend den Sicherheitsvorschriften ausgerüstete Gruppe auf die Baustelle. Dort fand sie eine Brücke, über die täglich rund 120.000 Fahrzeuge fahren, in voller Funktion vor. Auch der während der Bauphase gesperrte Schwerlastverkehr über 3,5 Tonnen rollt hier nun wieder. Von der Wirkung der Schallschutzmaßnahmen, die Planer und Architekten in die Konstruktion integriert haben, konnten sich die Teilnehmer ebenfalls selbst überzeugen. Sie setzen den Standard für solche Bauwerke.
Steht noch am Anfang: die zweite Brückenhälfte
Die zweite Brückenhälfte, die parallel zur freigegebenen Rheinüberquerung gebaut wird, steht noch relativ am Anfang. Während auf der ersten Brückenhälfte der Verkehr bereits rollte und die zweite Vorlandbrücke eingeschalt und bewehrt kurz vor der Betonierung stand, wurde bei der Strombrücke zunächst mit der Tiefgründung und den Unterbauten begonnen. Trotz eines Unfalls auf der Baustelle, der einen zwischenzeitlichen Baustopp verursachte, liege das Projekt im Zeitplan, erklärte Niclas Nösel. Die bereits angelieferten Stahlteile für die links- und rechtsrheinischen Randfelder der Strombrücke werden später auf der Baustelle verschweißt. „Hier haben wir aus der Erfahrung beim ersten Baulos gelernt”, sagte Niclas Nösel und fügte hinzu, dass bei der ersten Brückenhälfte Stahlteile aufgrund von Qualitätsmängeln ausgetauscht und der Lieferant gewechselt werden musste. Viele Prozesse der ersten Brücke wiederholten sich bei der Zweiten und dabei gelte es natürlich eine Lernkurve zu durchlaufen, so Nösel. Doch bevor die zweihüftige Schrägseilbrücke mit Pylonen in A-Form und einer Höhe von 55 Metern über der Fahrbahn sowie 2 × 33 Meter Brückenfläche voraussichtlich im Jahr 2028 in Betrieb geht, gibt es noch mehr zu tun als Copy and Paste. So können auch die Wetterbedingungen und der Wasserstand des Rheins immer für Überraschungen sorgen.
Für die künftige Beschäftigung der Brückenbauer ist gesorgt
Funktion und Sicherheit der 2.160 Brücken, die von der Niederlassung Rheinland in Krefeld betreut werden, stehen permanent auf dem Prüfstand. Acht Brücken über den Rhein liegen dabei im Mittelpunkt. Fünf von ihnen werden in den kommenden Jahren neu gebaut. Bei welchem Projekt Niclas Nösel als Nächstes dabei sein wird, hat er nicht verraten, nur, dass er sich über zusätzliche Unterstützung durch qualifizierte Kolleginnen und Kollegen freuen würde.
Autor und Abbildungen: Paul E. Krug