E-Auto und Cabrio schlossen sich bislang wegen der Reichweitenproblematik aus. Jetzt könnten Stromer allerdings das offene Fahren sogar beleben. Hoffnung auf das Dolce-vita Flair von einst.
Mit dem Beginn der warmen Jahreszeit fällt es wieder auf: Cabriolets sind auf den Straßen immer weniger zu sehen. Die Oben-ohne-Fahrzeuge standen einst für den Spaß an der Fahrfreude bei strahlendem Sonnenschein oder an lauen Sommerabenden, gern auch an exklusiven Promenaden oder in der bevölkerten Innenstadt. Schließlich hat man aus einem Mercedes-Benz SL oder Porsche 911 Cabriolet nicht nur eine ausgezeichnete Sicht nach draußen, sondern ist selbst bisweilen ein Hingucker. Unvergessen, wie der italienische Regisseur Federico Fellini in seinem 1960 veröffentlichten gesellschaftskritischen Kultfilm „La dolce vita“ die Schauspieler Marcello Mastroianni und Anita Ekberg in einem Triumph TR3A durch das nächtliche Rom fahren ließ.
Bezahlbare Freiluftversionen verschiedener Verkaufsschlager
Diese elitären, weil kostspieligen und nicht sehr praktischen Fahrzeugvarianten wurden bald popularisiert, und zwar durch bezahlbare Freiluftversionen von Verkaufsschlagern wie dem Opel Astra oder dem VW Golf (mit roter Karosserie und weißem Überrollbügel als „Erdbeerkörbchen“). Und die Autobauer sorgten mit technischer Finesse dafür, dass der Genuss einer luftigen Fahrt nicht mit Erkältung oder steifem Nacken am nächsten Tag quittiert werden musste.
Etabliertes Nischendasein
So führte das Cabrio über einige Jahrzehnte ein etabliertes Nischendasein, und die Hersteller konnten sich über einen Zuwachs an Prestige und Gewinn freuen, wenn ihnen ein schickes Cabrio gelang. Bis zu dem Tag, als Umweltverschmutzung und Erderwärmung dem luftigen Treiben einen Dämpfer versetzte. Denn das fehlende Dach ist schlecht für die Aerodynamik des Wagens und lässt den Kraftstoffverbrauch in die Höhe schnellen – erst recht, wenn die Insassen selbst bei warmem Wetter die Heizung aufdrehen müssen. Wegen der CO2-Flottengrenzwerte der EU für Neuwagen nahmen die Autokonzerne zusätzlich Abstand vom Cabrio, um hohe Strafzahlungen zu vermeiden. So wurde das Angebot verringert, die Nachfrage ging zurück. Im Jahr 2024 wurden nurmehr 41.000 neue Cabriolets in Deutschland zugelassen – eine Halbierung binnen weniger Jahre.
Sind die Tage des offenen Fahrens gezählt?
Angetrieben wird der Rückgang durch die aufkommenden Elektroautos, die ohne Ausnahme mit geschlossenem Dach konstruiert werden, um die Reichweite nicht zu beschneiden. Mehr noch: Oben-ohne-Stromer würden durch den Mechanismus zum Öffnen und Schließen des Daches noch mehr wiegen. Das knabberte zusätzlich an der Reichweite, zumal E-Autos durch die Batterie ohnehin schwerer sind als ihre Pendants mit Verbrennungsmotor.
Und dann ist da noch der Kaufpreis. Cabrios sind immer teurer, und die Hersteller haben so schon ihre liebe Not, E-Autos zu Preisen anzubieten, die von den Käufern akzeptiert werden. Heißt das alles zusammengenommen, dass mit dem absehbaren Verbrenneraus auch die letzten Tage des offenen Fahrens gezählt sind?
Neuer Trend im Fahrzeugbau
Die Lösung könnte ein neuer Trend im Fahrzeugbau bringen: das Glasdach mit Panoramablick als Ersatz für die traditionelle Stahlkonstruktion. Je nach Auslegung wiegt es weniger, zudem erlaubt es, bestimmte Bauteile kompakter unterzubringen, wodurch sich Energie und Bauraum einsparen ließen. Als weiterer Vorteil des Glasdachs gilt, dass es den Innenraum in natürliches Licht taucht und zu einer angenehmen Atmosphäre beiträgt. Darüber hinaus lassen sich Glasdächer mit weiteren Funktionen bestücken, etwa für Ambientelicht und andere Lichtszenarien. Bei starker Sonnenstrahlung lässt sich die Verdunklung aktivieren. Fehlt nur noch, dass darüber nachgedacht wird, wie das Glasdach geöffnet und wieder geschlossen werden kann.
Erste Konzepte von Webasto
Bei Webasto aus dem oberbayerischen Landkreis Starnberg arbeitet man bereits an solchen Konzepten speziell für E-Autos. Sie sollen „die Vorteile von feststehenden, transparenten Dächern und großen Öffnungen“ kombinieren, erläutert Max Hofbeck, seines Zeichens Produktmanager für die Dachsysteme des Zulieferers. Er und sein Team wollen Autodächer entwickeln, „die das volle Cabrio-Feeling bieten und gleichzeitig platzsparend und leicht sind“.
In punkto Reichweite könnte die Integration von Solarzellen auf einem Glasdach interessant sein. Die Idee ist nicht rein theoretischer Art. Mit einer solchen Mini-Photovoltaikanlage holte ein US-amerikanischer Autobauer in einem Praxistest 3.000 Kilometer mehr Reichweite in einem Jahr heraus, hebt man bei Webasto, dem Hersteller des Solarsystems, hervor. Auf diese Weise könnte der CO2-Fußabdruck eines E-Autos weiter verringert und gleichzeitig die Reichweite erhöht werden.
Realistische Option
Hofbeck hält E-Autos mit offenem Dach eines Tages für eine realistische Option. Inwieweit dabei das gepriesene Cabrio-Feeling entsteht, wird man sehen, denn ein richtiges Cabriolet hat keine B- und selten eine C-Säule. Ein Glasdach braucht beide. Das erinnert an die „Cabrio“-Version etwa des kleinen Fiat 500 mit einem Faltdach aus Stoff samt B- und C-Säule. Das reichte zwar nicht zum richtigen Dolce-vita-Flair, ermöglichte aber immerhin eine kostengünstige Variante für Frischluftfans.
Autor: Kristian Glaser (kb), Abbildung: Pixabay