//Müllers Kolumne: Hallo Partner!

Müllers Kolumne: Hallo Partner!

Haben Sie neue Vorsätze für das neue Jahr gefasst? Sicher einige von Ihnen. Bezieht sich ein neuer Vorsatz auf Ihr Verhalten im Straßenverkehr? Sicher bei keinem von Ihnen. Warum eigentlich?

50 Jahre „Hallo Partner danke schön“

Im Jahr 1971 startete der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) seine bis heute wohl bekannteste Kampagne für die Verkehrssicherheit unter dem Motto: „Hallo Partner danke schön!“
Der Grund dafür: Im Jahr 1970 beklagte man allein in Westdeutschland 19.173 Verkehrstote und es musste dringend etwas geschehen, um diese Zahlen zu senken. Der DVR sah seine Aufgabe als der Prävention dienende Organisation darin, an die Solidarität, Vernunft und letztendlich auch die Nächstenliebe der Autofahrer zu appellieren. Der Erfolg dieser Kampagne wurde damals zwar nicht überprüft, musste es aber auch nicht. Denn ein solcher Hinweis, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern mit der offen bereiten Hand zum Handschlag, ist zu jeder Zeit richtig und wichtig.

Verkehrsrechtlicher Hintergrund

Jeder von uns hat in seinen ersten theoretischen Unterrichtsstunden in der Fahrschule den Hinweis seines Fahrlehrers auf Paragraph 1 Absatz 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) erhalten, der lautet: „Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.“
Es ist die goldene Grundregel des Straßenverkehrs und gute Fahrlehrer haben diesen Satz nicht nur auswendig lernen lassen, sondern auch dessen Sinn erläutert und bereits in der ersten praktischen Fahrstunde eingeübt. Ihr Sinn und Zweck liegt darin, nicht sich und sein Fahrzeug in den Vordergrund zu stellen, sondern sich lieber bewusst zurückzunehmen und fehlerverzeihend defensiv am Straßenverkehr teilzunehmen. Würde diese Fahrweise von allen Autofahrern in Deutschland praktiziert, gäbe es kaum Verkehrsunfälle und Verunglückte. Immenses und lebenslanges Leid bliebe Tausenden von Familien erspart.

Es gibt noch eine weitere Regel, die damit in direktem Zusammenhang steht, aber bis heute weitgehend unbekannt ist. Im Paragraph 3 Abs. 2a StVO steht sie und lautet: „Wer ein Fahrzeug führt, muss sich gegenüber Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.“
Jeder Fahrzeugführer, also zum Beispiel auch die Individualisten der Radfahrer und Motorradfahrer, müssen demnach immer dann ihre gefahrene Geschwindigkeit vermindern, wenn sie am Fahrbahnrand einem leicht erkennbaren Verkehrsteilnehmer aus diesen drei besonders verletzungsgefährdeten Gruppen begegnen. Zudem müssen alle Fahrzeugführer bei diesen Begegnungen stets bremsbereit sein, weil man mit Fehlverhalten dieser Mitmenschen rechnen muss.
Halten Sie sich an diese Regel? Haben Sie diese Regel überhaupt bewusst kennengelernt? Wohl kaum. Sie wurde vor einigen Jahren zum besonderen Schutz dieser drei Gruppen nachträglich in die StVO eingeführt, fristet jedoch ein unverdientes Schattendasein unter den zahlreichen anderen Verkehrsregeln. Das müsste nicht sein, denn gerade diese Regel kann viele Leben retten. Polizeibeamte müssen diese Vorschrift strikt anwenden, wenn sie einen Verkehrsunfall aufnehmen müssen, an dem ein Kind, ein hilfsbedürftiger oder ein älterer Mensch als Unfallopfer beteiligt ist. Dann ist es aber eigentlich schon zu spät gewesen, denn die Regel hätte den betreffenden Verkehrsunfall verhindern können, ja verhindern sollen und müssen – wenn die Regel beherzigt worden wäre.

Vorsicht und Rücksicht als Verhaltensmaximen

Es hilft nichts, wenn wir uns über die Rücksichtslosigkeit anderer Menschen beklagen und den hektischen Zeitgeist an den Pranger stellen. Wir selbst sind gefragt, und zwar alle. Zwar ist uns allen auch schon seit der Fahrschule bekannt, dass Verstöße gegen diese Grundregel nicht mit Bußgeld bewehrt sind, aber soll man sie deswegen ignorieren? Würden wir nicht alle im wahrsten Sinne des Wortes „besser fahren“, wenn jeder von uns, und dann auch in einem wünschenswerten Welleneffekt alle anderen, ein solches Verkehrsverhalten praktizierten? Täglich und überall? Keine Frage, es würde uns allen helfen und den Verkehr insgesamt sicherer machen.

Egoisten und Punktetäter

Klar, die zehn Prozent der unverbesserlichen Fahrer (es sind statistisch erwiesen tatsächlich zu mehr als zwei Dritteln männliche Fahrer) erreicht keine Kampagne und kein Vorbild. Für sie gibt es keine Partner, sondern nur Konkurrenten um den knappen Verkehrsraum, – und Gegner, die es, um des eigenen schnelleren Vorwärtskommens willen, zu bedrängen und zu überholen gilt. Egozentriker dieser Art würden nur durch konsequente Überwachung und empfindliche Strafen bis hin zur Entziehung von Fahrerlaubnis und Auto dazulernen. Sie kalkulieren bewusst oder unbewusst ein, dass mangels polizeilicher Kontrolldichte auf den Straßen zum Beispiel nur jeder 600. betrunkene Fahrer von der Polizei „erwischt“ wird. Für sie sind die Verkehrsüberwacher „Fallensteller“ und „Raubritter“, die sie nur „abzocken“ und unverdient ihre Taschen füllen wollen. Nie käme es dieser Klientel von eifrigen Punktesammlern in den Sinn, ihren eigenen Fahrstil kritisch zu hinterfragen und die Fehler bei sich selbst zu suchen. Ihnen müssen ihre Fehler vom Rechtsstaat konsequent nachgewiesen und vorgehalten werden. Auch das würde unseren Straßenverkehr sicherer machen: Konsequente Verkehrsüberwachung und monetäre Rechenschaft. 

Resümee

Es wäre doch um so vieles einfacher, wenn der Stress in unserem Leben minimiert werden könnte. Das beginnt bereits bei der Planung und Vorbereitung von Autofahrten. Die beiden letzten Jahre haben es gezeigt: Wenn auf Fahrten bewusst verzichtet wird, sinkt das Unfallrisiko, sterben weniger Menschen, werden weniger Menschen verletzt und es bleibt zahlreichen Familien und potenziellen Hinterbliebenen lebenslanges, durch den Verlust eines geliebten Menschen verursachtes Leiden erspart. Wer Fahrten ohne Zeitdruck plant und durchführt, vermeidet unnötigen Stress, verlängert sein Leben und womöglich auch dasjenige anderer Verkehrsteilnehmer.
„Entschleunigung“ ist ein Patentrezept, auch für die Teilnahme am Straßenverkehr. Fangen wir bei uns selbst an, dann sagt vielleicht auch unser Gegenüber: „Hallo Partner danke schön.“

Weiterführende Links
DVR: Hallo Partner danke schön Schulungsvideo
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Schlager von Peggy March „Hallo Partner danke schön“
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Schlager von Roberto Blanco „Hallo Partner danke schön“
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Getötete im Straßenverkehr – Zeitreihe des Deutschen Statistischen Bundesamtes
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Professor Dr. Dieter Müller ist Verkehrsrechtsexperte und Träger des Goldenen Dieselrings des VdM. An der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) lehrt er Straßenverkehrsrecht mit Verkehrsstrafrecht. Zudem ist er Gründer und Leiter des IVV Instituts für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten sowie unter anderem Vorsitzender des juristischen Beirats des DVR. An dieser Stelle kommentiert der Fachmann Aktuelles zu Verkehrsrecht und Verkehrssicherheit.