Die Verkaufszahlen von Elektro- und Plug-in-Hybrid-Pkw steigen und steigen – nicht zuletzt, weil verschärfte Abgasbestimmungen und strenge Flottengrenzwerte die Hersteller zwingen, emissionsarme Autos anzubieten und Spritfresser aus dem Angebot zu nehmen. Doch selbst das ambitionierte Ziel der EU, die CO2-Emissionen der Neuwagen bis 2030 um weitere 37,5 Prozent zu senken, reicht für die Klimaziele nicht aus. Das stellten jetzt zwei Wissenschaftler fest. In ihrer Untersuchung kommen sie zu dem Ergebnis, dass in den nächsten zehn Jahren nicht eine CO2-Reduzierung um 37,5 Prozent nötig ist, sondern um 75 Prozent.
Im vergangenen Jahr waren die Zuwachsraten der Stromer in Deutschland höher als je zuvor. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) registrierte 194.200 neuzugelassene reine E-Autos, das waren dreimal so viele wie 2019. Nach Jahren vor sich hindümpelnder Verkaufszahlen kamen die Hersteller 2020 nicht mehr hinterher, so dass auch die Wartezeiten in die Höhe schnellten. „Doch allein ein sehr hoher Marktanteil an Elektroautos genügt nicht, um die mittelfristigen deutschen Klimaziele zu erreichen“, betont das Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie.
Dessen Spezialist für Mobilität und internationale Kooperation, Frederic Rudolph, forschte zusammen mit Patrick Jochem, zuständig für Energiesystemanalyse beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), zur „Rolle von Elektroautos in der Mobilität von morgen“. Ihr Ergebnis: Die Klimaziele der Bundesregierung werden selbst dann verfehlt, wenn im Jahr 2030 jeder zweite Pkw auf der Straße einen Elektromotor an Bord hätte. In der Bundesrepublik macht der Anteil reiner E-Autos am Gesamtbestand derzeit gerade einmal 1,2 Prozent aus.
Fast jedes Auto benötigt E-Antrieb
Berlin habe sich zwar eine Absenkung der CO2-Emissionen im Verkehr um mindestens 40 Prozent von 1990 bis 2030 vorgenommen, doch vom derzeitigen Stand aus würden höchstens 25 Prozent erreicht, fanden die Forscher heraus. Daher müsse in den nächsten zehn Jahren eine Minimierung der CO2-Emissionen um 75 Prozent erreicht werden, will man die Klimaziele nicht drangeben. In E-Autos umgerechnet bedeutete das, dass in zehn Jahren 95 Prozent aller Neuzulassungen reine Stromer oder Plug-in-Hybride sein müssten. Frederic Rudolph schlussfolgert: „Es zeigt sich, dass die deutschen Klimaziele für den Verkehrssektor allein über die jetzt angestrebte Verschärfung der Flottenverbrauchsnorm nicht zu erreichen sind.“
Als Ursache für die schlechten Chancen zum Erreichen der Klimaziele verweisen Rudolph und Jochem auf das späte Hochfahren der Elektromobilität. Daher regen sie an, den bisherigen Ansatz der Bundesregierung zu erweitern und zum Beispiel die Ladevorgänge speziell für Plug-in-Hybrid-Pkw zu erleichtern, damit deren Anteil an elektrischen Fahrten erhöht wird. Allein dadurch ließen sich mehrere Millionen Tonnen CO2 einsparen. Die Konsequenz könnten mehr Lademöglichkeiten zu Hause und am Arbeitsplatz sein, am besten mit grünem Strom, wie Rudolph und Jochem betonen.
„Zweifelsohne“, räumen sie ein, sind mit ihren Forschungsergebnissen „immense Herausforderung“ für die deutsche Automobilindustrie verbunden. Das „stärkt sie aber letztlich in ihrer Positionierung im internationalen Marktumfeld, das sich immer mehr auf Elektrofahrzeuge konzentriert“, merken die Forscher an. In dieser Einschätzung geben ihnen Untersuchungen aus dem angelsächsischen Raum nun recht.
E-Autos billiger als Benziner
Nach einem Bericht der britischen Tageszeitung „The Guardian“ von Ende Januar hält Bloomberg NEF, ein US-amerikanischer Forschungsdienstleister, den Durchbruch für E-Autos dann für gekommen, wenn ihr Anschaffungspreis auch ohne staatliche Kaufsubventionen unter den von Benzin- und Dieselautos fällt. Dafür seien wiederum die Kosten für die aufwendigen Lithium-Ionen-Akkus entscheidend. Bloomberg NEF schätzt, dass es bereits 2023 soweit sein werde, dass eine Kleinwagenbatterie 3.000 Dollar (2.500 Euro) kostet, und damit soviel wie ihr Gegenstück im konventionellen Automodell.
Dem „Guardian“ zufolge sind die Batteriepreise in den letzten Jahren stärker gefallen als vermutet. Wurden für eine Kleinwagenbatterie 2010 noch 30.000 Dollar aufgerufen, liegt der Preis derzeit bei 4.100 Dollar. Ursächlich sind dafür laut Bloomberg NEF die gestiegene Nachfrage und geringere Materialkosten, bedingt durch technologische Entwicklungen, die beispielsweise die benötigte Menge an teurem Kobalt reduziert haben.
Damit rücken die von Frederic Rudolph und Patrick Jochem ermittelten Erfordernisse für den Hochlauf der Elektromobilität und zum Erreichen der Klimaziele näher in den Bereich des Realisierbaren – sofern, wie die Autoren hinzufügen, weitere Maßnahmen wie gegen die Reichweitenangst, für mehr Strom aus erneuerbaren Quellen oder zum Ausbau des ÖPNV nicht außer acht gelassen werden.
(Beate M. Glaser/Kristian Glaser/kb)
Grafik: Gerd Altmann/Pixabay