Wir freuen uns, dass wir den renommierten Verkehrsrechtler und Dieselringträger Professor Dr. Dieter Müller (Institut für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten, Bautzen) als Kolumnist gewinnen konnten. Mindestens ein Mal im Monat wird er ab jetzt unter „Müllers Kolumne“ seine Meinung zu aktuellen Themen rund um Verkehrsrecht und Verkehrssicherheit kund tun:
Tränen lügen nicht...
…und zwar auch dann nicht, wenn es Krokodilstränen sind! Diese verdrücken aktuell die Vertreter der Schnellfahrer-Fraktion, die in den beiden letzten Wochen auch weiterhin nach dem bewährten Prinzip +20 km/h innerhalb und + 30 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften fuhren und nun gewahr wurden, dass sie nach der Reform des Bußgeldkataloges nicht mehr nur das bislang noch immer einkalkulierte Bußgeld bezahlen müssen, sondern nunmehr zusätzlich auch noch ein einmonatiges Fahrverbot antreten sollen.
Diese Schnellfahrer finden nun beim Bundesverkehrsminister ein offenes Ohr, einem Verkehrsminister, bei dem man glaubte, er habe in seiner zweiten Amtshälfte durch eine sehenswerte, wenn auch fachlich lückenhafte Reform von StVO und Bußgeldkatalog nun endlich die Kurve zu einem Verkehrssicherheitsminister genommen. Aktuell befindet er sich nun wieder auf dem altbekannten Schlingerkurs zwischen Lobbyismus für die Automobilindustrie und Opportunismus gegenüber Fahrern, die es mit den verkehrsrechtlichen Normen nicht allzu genau nehmen. Dabei kann mir niemand erzählen, dass eine gefahrene Geschwindigkeit von 71 km/h in einer Ortschaft ein Zufallsprodukt ist, wenn denn die zulässige Höchstgeschwindigkeit nur unter günstigsten Umständen 50 km/h betragen darf und sich zudem die Mehrheit der Autofahrer deutlich langsamer fortbewegt als man selbst.
Man kann nur hoffen, dass dem Bundesverkehrsminister bei seinem verkehrspolitischen „Fallrückzieher“ bei seiner Rolle rückwärts die Bundesländer im Bundesrat einen Strich durch die Rechnung machen, eine beachtliche Entwicklung hin zu einer konsequenten Durchsetzung verkehrsrechtlicher Normen wieder zu kassieren. Nicht umsonst ist das Fahrverbot als eine Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme sogar vom Bundesverfassungsgericht geadelt worden, nachdem es bereits durch den Bundesgerichtshof als wichtiges Erziehungsmittel gegenüber unreifen oder eben gefährlich nachlässigen Autofahrern anerkannt worden war.
Herr Scheuer, besinnen Sie sich auf die Verkehrssicherheit, möchte man dem Verkehrsminister zurufen, aber seine Ohren sind bereits anderen Einflüsterern geöffnet, die in geltenden Verkehrsrechtsnormen mehr oder weniger staatlich verordnete Spaßbremsen sehen, die nun durch den amtierenden Verkehrsminister wegen drohender Fahrverbote beseitigt werden müssen. Dabei ist es auch hilfreich zu wissen, dass nur eine Minderheit von Autofahrern im Fahrverbotsbereich auffällig wird. Im ganzen Jahr 2018 gab es in Deutschland 464.179 von Bußgeldbehörden und Gerichten auferlegte Fahrverbote. Es traf also nicht einmal 1 % der Fahrerlaubnisinhaber, die sich allerdings nun so laut beschweren, als ob es 90 % wären.
Der Bundesverkehrsminister sollte es sich gut überlegen, vor wessen Karren er sich spannen lässt.
Dieter Müller
Fotos: Pixabay (1), Robert Michalk (1)
Der guten Ordnung halber: Die Kolumne gibt nicht unbedingt die Meinung von motorjournalist.de bzw. des VdM wieder.