Wegen der anhaltenden Dominanz der Coronathematik ist der Öffentlichkeit offenbar ein bürgerrechtlich heikles Unterfangen der Bundesregierung durchgerutscht. Wie „Autobild“ berichtet, verabschiedete das Bundeskabinett bereits Ende Januar einen Gesetzentwurf, der den Sicherheitsbehörden die Aufstellung von automatischen Kennzeichen-Lesegeräten (AKLG) im öffentlichen Raum gestattet. Nach Informationen des Blattes soll in einem weiteren Schritt die Strafprozessordnung um einen Paragraphen ergänzt werden, der die Erfassung „amtlicher Kennzeichen von Kraftfahrzeugen sowie Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung durch den Einsatz technischer Mittel“ rechtlich ermöglicht. Die staatliche Überwachung von Autofahrern soll demnach an zwei Voraussetzungen gebunden sein: an den Verdacht einer schweren Straftat und dass auf diese Weise der Aufenthaltsort des Beschuldigten ausfindig gemacht werden kann. Die Überwachung dürfe nur „vorübergehend und nicht flächendeckend“ erfolgen, zitiert „Autobild“ aus dem Referentenentwurf.
Datenerfassung eng eingegrenzt
Damit bewegt sich die Bundesregierung auf sensiblem Terrain. Denn aus grundgesetzlicher Sicht ist das generelle Sammeln von Daten unverdächtiger Personen höchst fragwürdig, werden damit doch die Unschuldsvermutung und das informationelle Selbstbestimmungsrecht verletzt. So stellte das Bundesverfassungsgericht vor zwei Jahren in einem vielbeachteten und deutlich formulierten Urteil klar, daß Überwachung „zu beliebiger Zeit und an beliebigem Ort ins Blaue hinein“ selbst bei sofortiger Löschung der Daten nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar ist. Eine automatisierte Datenerhebung sei nur dann mit dem Grundgesetz vereinbar, so das Bundesverfassungsgericht weiter, wenn es in konkreten und gesetzlich definierten Fällen um die Verhinderung einer schweren Straftat geht. Mit dieser Argumentation kippten die Karlsruher Richterinnen und Richter Anfang 2019 gleich mehrere Landespolizeigesetze.
Einige Monate später bestätigte das niedersächsische Oberverwaltungsgericht zwar das automatisierte Erfassen von Kfz-Kennzeichen im Zuge von „Section Control“, einem computerbasierten Verfahren zur Überprüfung von Tempoverstößen. Allerdings erst, nachdem der Landtag in Hannover im Polizeigesetz festgelegt hatte, dass bei den Bildaufnahmen Insassen nicht zu sehen sein dürfen und dass die Daten von Fahrzeugen ohne Tempoverstoß „sofort automatisch zu löschen“ sind.
Das jetzige Vorhaben der schwarz-roten Regierung geht weit darüber hinaus und wäre – im Jahr der Bundestagswahl – ein Schritt in Richtung gläserner Autofahrer. Der Zeitplan zur Änderung der Strafprozessordnung steht nach Informationen von „Autobild“ noch nicht fest.
(Kristian Glaser/kb/bic)
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