Wie beeinflusst Corona die Mobilität? Darüber sprachen die Motorjournalist.de-Redakteure Werner Bicker und Franz-Peter Strohbücker mit dem baden-württembergischen Verkehrsminister Winfried Hermann.
Das hat jeder selbst bemerkt: Nach dem Lockdown im März und April stand die Welt quasi still. Um mehr als 50 Prozent ging der Autoverkehr zurück, der öffentliche Personenverkehr gar um 90 Prozent. Für den baden-württembergischen Verkehrsminister war das teilweise „wie an Heiligen Abend“. Und bis Ostern, so der Grüne, habe man in der Stadt mehr Vögel als Autos gehört.
Bis heute, so konstatiert Hermann, habe der Straßenverkehr wieder fast sein altes Niveau erreicht, nur mit der Nutzung des ÖPNV ist er noch nicht ganz zufrieden. „Mit 50 bis 60 Prozent sind wir hier noch weit entfernt vom Vor-Corona-Niveau.“ Dafür, das dürfte Hermann wiederum freuen, sind mehr Menschen aufs Fahrrad umgestiegen. Denn nicht umsonst reklamiert das Verkehrsministerium mehr und sicherere Radwege. „Die Menschen haben plötzlich gemerkt, dass sie im Keller ein Fahrrad haben, das sich durchaus nutzen lässt.“ Diesem Trend, beton Hermann, müsse die Politik nun gerecht werden. Das hieße, die Bevölkerung jetzt überzeugen, liebgewonnene Gewohnheiten, die durch Corona zunichtegemacht wurden, auch zukünftig abzulegen. „Wochenlang ist kein Flugzeug geflogen, wir haben das Autofahren reduziert, sind aufs Fahrrad gestiegen, haben Ausflüge ins Umland gemacht. Können wir diese Erfahrung nicht weiter nutzen?“ fragt der Minister. An einen Automatismus glaubt Hermann hier nicht: Er erkenne die Sehnsucht der Menschen, so schnell wie möglich zur Normalität zurückzukommen, es sei jetzt aber Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen für eine neue Mobilität zu schaffen. Und die bedeuten unter anderem auch, gerade jetzt den ÖPNV sicherer und verlässlicher zu machen. „Wir sind stolz darauf, recht schnell die Maskenpflicht in unserem ÖPNV eingeführt zu haben. Wir waren das erste Bundesland mit dieser Verordnung, die übrigen Länder sind uns gefolgt,“ betont Hermann. Bitter sei für ihn gewesen, dass in der Hochzeit von Corona alle Bemühungen um die Stärkung des ÖPNV wie weggefegt waren – weil die Menschen um ihre Sicherheit fürchteten und lieber ins eigene Auto gestiegen sind. „Wir tun deshalb alles, dass der ÖPNV nicht den Makel einer Virenschleuder trägt. Der ÖPNV ist sicher!“
Wie Verkehrsminister Winfried Hermann den ÖPNV weiter stärken will, welche Antriebsarten er bei Straßenfahrzeugen favorisiert und wie die Verkehrs- und Energiewende zu schaffen ist lesen Sie im großen Interview in unserer Motorjournalist Edition 2020, die im Oktober erscheint.
Foto: Sebastian Berger