//Schleudertrauma: Unterschätzte Langzeitfolgen

Schleudertrauma: Unterschätzte Langzeitfolgen

Eine Halswirbelsäulen (HWS)-Distorsion oder umgangssprachlich Schleudertrauma genannt gehört zwar zu den leichten Unfallverletzungen. Gleichwohl kann sie Betroffenen das Leben erschweren. Die neuesten Forschungserkenntnisse geben tiefere Einblicke rund um das Thema Prävention und Folgen von Schleudertraumata.

Erfreulich ist, dass seit einigen Jahren immer weniger Schwerverletzte und Getötete bei Verkehrsunfällen zu beklagen sind. Gleichzeitig – und das ist die schlechte Nachricht – besagt die offizielle Unfallstatistik, dass die Anzahl der Leicht- bis Mittelschwerverletzten längst nicht so stark abnimmt. Dabei darf man außerdem nicht unterschätzen, dass sich auch hinter den Zahlen zu den Leichtverletzten tragische Schicksale verbergen können. Dann nämlich, wenn die gesundheitlichen Einschränkungen über einen langen Zeitraum anhalten. Ab einer Dauer von 90 Tagen sprechen Mediziner von Langzeitfolgen.

Lebensqualität deutlich eingeschränkt

Zu den Unfallverletzungen mit ausgeprägten Langzeitfolgen gehört die Halswirbelsäulen-Distorsion, auch als Halswirbelsäulensyndrom (HWS) bezeichnet, umgangssprachlich als Schleudertrauma bekannt. In Europa sind jährlich bis zu vier von 1.000 Einwohnern nach einem Verkehrsunfall betroffen. Sie müssen unter Umständen damit rechnen, dass ihre Lebensqualität über einen langen Zeitraum empfindlich eingeschränkt ist und sie erhebliche Probleme im Alltag sowie bei der Berufsausübung bekommen. Ein HWS-Syndrom ist häufig die Folge eines Heckunfalls. Während der Körper vom Sicherheitsgurt festgehalten wird, wird der Kopf peitschenartig erst zurück und dann nach vorn geschleudert. Es ist diese starke Doppelbelastung von Hals und Nacken, die in ein Schleudertrauma münden kann. Durch technische Tricks, beispielsweise eine leicht nach vorne geneigte Kopfstütze, wird versucht, die Belastungsspitzen bei einem Heckaufprall herauszunehmen und die Verletzungsschwere zu minimieren.

Nackenschmerzen häufigste Folge

Jedoch weiß man nicht genau, wie stark die Folgen eines HWS-Syndroms heutzutage, mit den vielen Neuerungen bei den Sicherheitssystemen im Auto, eigentlich sind. Rechtsmediziner der Universität München um Professor Steffen Peldschus untersuchten daher 150 Personen aus nahezu jeder Altersklasse, um sich Aufschlüsse über die Langzeitfolgen bei einem Schleudertrauma zu verschaffen. Dabei stellte sich heraus, dass die häufigste der Beeinträchtigungen, die noch am Tag des Unglücks einsetzten, bei Frauen wie bei Männern Nackenschmerzen waren.

Geschlechtsspezifische Unterschiede

Bei der Dauer dieser Beschwerden gab es starke geschlechtsspezifische Unterschiede. Bei Männern hielten sie durchschnittlich 31 Tage an, bei Frauen 44,5 Tage. Einer der Patienten musste sich deutlich mehr als fünfeinhalb Jahre mit einem HWS-Syndrom herumschlagen, bei einer Frau dauerte die Tortur annähernd zweieinhalb Jahre. Die zweithäufigste Einschränkung, auf welche die Münchener Wissenschaftler bei ihren Beobachtungen stießen, waren Kopfschmerzen. Sie trafen aber auch auf Schwindelgefühl und Schlaflosigkeit, Beeinträchtigung des Hörvermögens sowie psychische und neurologische Beschwerden. Bei Betrachtung derjenigen Patienten, die innerhalb von zwei Jahren nach dem Unfall genesen waren, stellten die Forscher fest, dass die meisten von ihnen nach weniger als 90 Tagen beschwerdefrei waren. Jedoch litten 80 Prozent der Frauen und 75 Prozent der Männer auch nach 90 Tagen noch an ihren Symptomen. Eine derart hohe „Beschwerdewahrscheinlichkeit“ war für Steffen Peldschus und sein Team eine handfeste Überraschung. Ergaben doch bisherige Studien eine deutlich geringere Dauer für die Leiden.

 Technische Präventivmaßnahmen im Fahrzeugbau

Aus Sicht der Münchener Wissenschaftler ist die Forschung längst noch nicht am Ende angelangt. Sie halten weitere Analysen zu den Unfallkonstellationen und individuellen Faktoren der Autoinsassen für erforderlich, um technische Präventivmaßnahmen im Fahrzeugbau und wirkungsvolle Therapieansätze in der Medizin zu entwickeln.

Autorin: Beate M. Glaser (kb); Abbildung: pixabay