Infolge der E-Auto-Flaute muss das Unternehmen aus Südkorea seine Strategie korrigieren. Außerdem im Fokus: Digitalisierung und die Vision einer Wasserstoffgesellschaft.
Unaufgeregt hat sich Hyundai zu einem der ganz Großen gemausert. Die Modelle des Herstellers aus Südkorea haben alles, was ein modernes Auto haben muss. Sie sind ansprechend im Design, technologisch auf der Höhe der Zeit und von einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Mit „N“ hält sich Hyundai einen sportlichen Ableger und mit Genesis einen Anbieter im Premiumsegment.
Die Südkoreaner begaben sich zeitig auf das Terrain der batterieelektrischen Modelle, sogar überraschend erfolgreich. Dafür verfolgten sie die Hybridtechnologie weniger nachdrücklich. Mit Toyota, dem direkten Wettbewerber aus Japan, teilt Hyundai das Engagement für die Wasserstoff-Brennstoffzelle, so dass die beiden Autobauer (noch) die einzigen nennenswerten Serienmodelle dieser Art anbieten.
Neue Zehn-Jahres-Strategie
Hyundais Zurückhaltung bei der Hybridtechnologie resultierte aus dem Kalkül, dass diese Brückentechnologie in Richtung Elektrozeitalter nicht so wichtig sei, sofern man frühzeitig auf E-Autos setze. An sich eine interessante Überlegung. Doch jetzt, wo die E-Auto-Nachfrage sinkt, erweist sich dieser Ansatz als problematisch. Er muss korrigiert werden. Dies hat das Unternehmen im Rahmen einer neuen Zehn-Jahres-Strategie soeben getan. In dem Papier mit dem Titel „Hyundais Weg“ setzt es unter vorläufiger Beibehaltung der Verbrennermodelle langfristig weiter auf die Elektrifizierung, stärkt aber gleichzeitig den Hybridansatz. So könne auf Veränderungen im Markt flexibel reagiert werden, heißt es zur Begründung aus Seoul. Spätestens 2030 will das Management insgesamt 21 vollelektrische Modelle anbieten, „erschwinglich und wartungsfreundlich“ sollen sie sein, und es soll sie auch im Premiumsegment (Genesis) und im Hochleistungsbereich (N) geben. Parallel will man die Anzahl der Hybridbaureihen auf 14 verdoppeln, über die Kompaktwagen- und Mittelklasse hinaus sollen künftig auch die kleineren und die größeren Pkw elektrifiziert werden. Ferner wird Genesis in jeder Modellreihe eine Hybridversion einführen. Für Anfang 2025 plant Hyundai den Start einer neuen Hybridgeneration mit intelligenter Rekuperation (Speicherung der Bremsenergie) und der Möglichkeit zum Aufladen externer Geräte. Ab 2028 sollen jährlich mehr als 1,3 Millionen Hybridmodelle jährlich an den Mann und die Frau gebracht werden – ein Plus von 40 Prozent.
Der gute alte Reichweitenverlängerer
Darüber hinaus kommt der gute alte Reichweitenverlängerer zu neuen Ehren – aus den späten 2000er Jahren auch als „Range Extender“ bekannt. In Hyundais Varianten hat der Ottomotor einzig die Funktion, die Traktionsbatterie mit Energie zu versorgen. Dadurch kann die teure und schwere Batterie kleiner ausgelegt werden, und trotzdem sollen Reichweiten „von mehr als 900 Kilometern“ erreicht werden, verspricht Hyundai. Die ersten SUV mit Reichweitenverlängerer beabsichtigt Hyundai 2027 in China und Nordamerika zu verkaufen.
Der Weg zum „softwaredefinierten Auto“
„Hyundais Weg“ bis 2033 beinhaltet eine weitere technologische Offensive: die Digitalisierung. Gemeint ist der Übergang zum „softwaredefinierten Auto“ (software-defined Vehicle, SDV) mit autonomen Fahrfunktionen. Für Hyundai geht es um die Entwicklung von Fahrzeugen, „die eine Vielzahl von Daten innerhalb und außerhalb sammeln“ und deren „gesamte Fahrzeugschnittstellen sich softwarebasiert steuern“ lassen. Das SDV-Auto verbindet sich demnach mit anderen Fahrzeugen, mit der Logistik und der Verkehrsinfrastruktur. Dadurch entstehe ein Datensystem mit dem Effekt, dass sich die Fahrzeuge „in lernende Maschinen verwandeln, die sich durch KI-Integration kontinuierlich verbessern“. Das alles verspreche, so Hyundais Blick in die neue Welt der Zukunft, „alle Bewegungen in das tägliche Leben des Benutzers zu integrieren“. Dazu gehört für Hyundai auch die Gründung eines neuen Tochterunternehmens zum Verkauf von Softwaretechnologie für autonomes Fahren, speziell für Robotaxis. Die Plattform soll Fahrfunktionen der Automatisierungsstufe 4 „oder höher“ erreichen, also bis hin zum fahrerlosen Auto. Ab 2030 will Hyundai jährlich 5,6 Millionen Fahrzeuge verkaufen. Das entspricht einer Steigerung gegenüber 2023 von 30 Prozent. Jedes dritte Auto soll ein Vollstromer sein. Die Investitionsausgaben und Produktionskapazitäten will man in Seoul deutlich erhöhen, vor allem in aufstrebenden Ländern wie Indien. Ab 2030 sollen Verbrenner, Hybride und reine Stromer gleich rentabel sein.
Bis 2045: die Netto-Null bei unternehmensweiten CO2-Emissionen
Für das Jahr 2045 strebt Hyundai erstmals die Netto-Null bei den unternehmensweiten CO2-Emissionen an. Für dieses Zielt ist der Wasserstoff relevant. Seine Vorteile sieht Hyundai in der leichten Verfügbarkeit, der hohen Energiedichte sowie der Einfachheit von Lagerung und Transport. Wasserstoff-Brennstoffzellensysteme hätten eine breite Anwendung, nicht nur in Autos, sondern auch in Zügen, Schwermaschinen, Schiffen und Flugzeugen. Die Zement- und Stahlproduktion sowie andere schwer dekarbonisierbare Bereiche ließen sich durch Wasserstoff klimafreundlicher gestalten. Für die Wasserstofferzeugung setzt Hyundai unter anderem auf den Einsatz von Abfall und gebrauchtem Plastik. Mit der Vision einer Wasserstoffgesellschaft vor Augen will sich Hyundai „eine Spitzenposition im Energiebereich sichern“ und das Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette stärken. Der Autohersteller wird Energielieferant.
Autor: Kristian Glaser (kb)
Abbildung: pixabay / akitada31