//Die Solitude bebte

Die Solitude bebte

Am vorletzten Juni-Wochenende donnerten wieder rund um die legendäre Grand Prix-Rennstrecke nahe Leonberg beim Solitude Revival unter dem Motto: „Mittendrin, statt nur dabei“ die Motoren historischer Rennfahrzeuge. Hautnah die Boliden sowie die Motorsportgeschichte der letzten 100 Jahre zu erleben, mit den Fahrern ins Gespräch zu kommen, Autogramme zu sammeln und die Faszination Motorsports zu fühlen, war der sehnlichste Wunsch vieler Fans.

Rujd 470 Oldtimer, Youngtimer, Motorräder und sonstige sportliche Automobile durften rund um die knapp zwölf Kilometer lange ehemaligen Grand-Prix-Strecke vor den Toren Stuttgarts bestaunt werden. Rennfahrerlegenden wie Kurt Ahrens, SKH Prinz Leopold von Bayern, Walter Röhrl, Jochen Mass, DTM-Ass Bernd Schneider oder Marc Lieb, um nur einige von Ihnen zu nennen, fuhren mit den tollsten Renn- und Sportwagen um den legendären Kurs und bummelten durch das Fahrerlager. Die Zuffenhausener Spotwagenschmiede zelebrierte mit übergroßen Lettern als Eyecatcher außerdem ihr Jubiläum „50 Jahre Porsche Turbo“. Le Mans-Gesamtsieger Marc Lieb steuerte mehrere fahrbare historische Ikonen aus sechzig Jahren Geschichte. Für ein Wochenende erweckte das „Solitude Revival“ die ehemalige Rennstrecke im Glemstal zum Leben. Porsche Heritage und Museum entsandte sieben Sportwagen auf eine motorisierte Zeitreise in die Fünfziger- bis Achtzigerjahre.

Als jüngstes Rennfahrzeug aus den eigenen Reihen ließ Porsche den sauschnellen 911 RSR aus dem Jahr 2022 seine Runden drehen. Er basiert auf dem Hochleistungsstraßensportwagen 911 GT3 RS und ist eine Weiterentwicklung des 911 RSR von 2017. Der 378 kW (515 PS) starke Saugmotor ist der bis dato größte Boxer, der je ab Werk in einem Elfer verbaut worden ist. Im Juni 2022 überquert der 911 RSR als Sieger der Klasse GTE-Pro die Ziellinie in Le Mans. Richard Lietz, einer der drei damaligen Rennfahrer, die in 24 Stunden gemeinsam 4.769 Kilometer zurücklegten, saß beim „Solitude Revival“ erneut im Cockpit. Ayhancan Güven, heute DTM-Pilot und Ex-Cupfahrer war zum ersten Mal in Stuttgart mit dabei und fuhr den Porsche 356 B 2000 GS Carrera GT „Dreikantschaber“ von 1963. Richy Müller, alias Fernsehkommissar Thorsten Lannert vom Stuttgarter Tatort fuhr einen Porsche 356 B 2000 GS Carrera GTL Abarth Baujahr 1960 aus dem Zuffenhausener Museum.

Im Solitude-Fahrerlager wurde noch „Benzin gelebt“ und man fühlte sich inmitten des Geschehens, denn die Veranstalter des Oldtimer-Spektakels befördern die Strecke gerne auch zum „schwäbischen Helden-Dreieck“ hoch und Wolfgang Ziegler, der Vorstand des Solitude Revival Vereins, betonte schon im Vorfeld der Veranstaltung: „Im Infield triffst Du Rennsport-Helden und Kurvenakrobaten, aktuelle Le Mans-Fahrer und Stars der historischen Renngeschichte. Sie freuen sich darauf, mit den Fans einen Plausch zu halten – und lächeln gerne in die Smartphones für die Erinnerungs-Selfies. Es ist auf einen Nenner gebracht, echter Motorsport zum Anfassen.“Leider vermisste man die sonst sehr gut gemachten Programmhefte.

Mercedes Benz brachte sich heuer zum ersten Mal mit der Heritage-Abteilung an der Veranstaltung ein. Blickfang war der restaurierte Mercedes 2-Liter-Targa-Florio-Wagen von 1924. Ferner ließ ein 300 SLS-Tourensportwagen aus dem Jahr 1957 die Herzen der Fans höher- schlagen. Dieser Mercedes-Benz 300 SLS („Super-Leicht-Sport“) ist eine Sonderausführung des 300 SL Roadsters für den Rennsport. Der Tourensportwagen brachte 970 Kilo auf die Waage und entstand 1957 in zwei Exemplaren für die amerikanische Sportwagen-Meisterschaft, die Paul O’Shea final gewann. Ein Schwergewicht im Rennsport schlechthin. Es gab auch was auf die Ohren: Ein C 11 Gruppe C-Rennwagen sorgte lediglich für einen infernalischen Motorsound.

Die Rennfahrer Karl Wendlinger aus der Sportwagenszene und der Formel 1 sowie das ehemalige DTM-Ass Bernd Schneider waren für Mercedes-Benz an der Solitude vor Ort im Einsatz und standen den Besuchern an der Solitude Rede und Antwort.

Im Fahrerlager stellte Axel Watter die synthetisch aus Wasser und CO2 mit erneuerbaren Energien hergestellten Zukunfts-Treibstoffe mit erstmals zwei Produzenten in einem BMW 3.0 CSL vor. „Ich bin gespannt und freue mich erstmals mit dem Treibstoff des Technologiegebers CAC ENGINEERING zu fahren. Das ist einmalig und ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Christian Geistdörfer, der langjährige Co-Pilot von ‚Monte-Carlo‘-Sieger Walter Röhrl. „Wir wollen auf die synthetischen Treibstoffe, die mit erneuerbaren Energien erzeugt wurden hinweisen und den problemlosen Einsatz demonstrieren“, sagt Promoter Axel Watter und erwartet, dass die Formel 1 ab 2026 mit dem synthetischen eFuel starten wird. Der vierfache Formel 1 Weltmeister Sebastian Vettel wirbt schon seit längerer Zeit mit Demofahrten in verschiedenen historischen Grand Prix Autos für den neuen Treibstoff. Auch eines der wertvollsten Unternehmen der Welt, Aramco steht mit e-Fuels in den Startlöchern.

Die Demonstrationsfahrten aller neun Fahrzeuggruppen rund um den 11,4 Kilometer langen Kurs verliefen zur Begeisterung der Zuschauer unfallfrei, bis der Wettergott am Samstag-Nachmittag wohl mit den zahlreich angereisten Fans kein Einsehen mehr hatte. Ein heftiger Wolkenbruch, der die ehemalige Rennstrecke und auch die Straßen rund um den Traditionskurs unter Wasser setzte, die Oldtimer-Fahrer mit plötzlich auftretendem Aquaplaning überraschte und zum Innehalten zwang. Aus Gründen der Sicherheit stoppten die Verantwortlichen die Veranstaltung am ersten Tag zu einem früheren Zeitpunkt.

Text & Fotos: Eberhard Strähle