Das Zeitalter der Dampfloks ist Geschichte: Ende der 60er Jahre wurden sie in der Bundesrepublik Deutschland außer Betrieb genommen und zwei Jahrzehnte später auch in der DDR. Doch einige Dampfloks fahren weiter. Strecken, auf denen dampfbetriebene Züge fahren, erfreuen insbesondere Touristen, wie der „Rasende Roland“ auf der Insel Rügen, die Brockenbahn im Harz oder die sächsischen Schmalspurbahnen rund um Dresden. Die Lößnitzgrundbahn begeht in diesem Jahr ihr 140jähriges Jubiläum. Eine Fahrt mit dem dampflokbetriebenen Zug ist ein besondere Erlebnis.
Von Radebeul nach Moritzburg
Die Lößnitzgrundbahn startet am Bahnhof Radebeul Ost, nicht weit entfernt von der Villa Old Shatterhand, in der der weltbekannte Schriftsteller Karl May wohnte und wo ein Museum an ihn und an die amerikanische Indianerkultur erinnert.
Lohnenswertes Ziel ist das Jagdschloss Moritzburg, wo die reichen sächsischen Könige, allen voran August der Starke, jagten. Die Strecke ist 16,5 km lang und überwindet 109 Höhenmeter. Für die Hin- und Rückfahrt zahlen Erwachsene 18 Euro, Einstieg am Bahnhof „Weißes Ross“, das ist die nächste Station nach Radebeul Ost. Man hört das „Schnaufen“ der Dampfmaschine und das Pfeifen und Läuten vor Bahnübergängen. Welch ein überwältigender Anblick, die schwarze Lok mit ihrem schwarzen Rauch zu erblicken und das laute Rollen der Stahlräder auf den schmalen Stahlschienen. Das Wetter ist schön und so steige ich auf den offenen Aussichtswagen. Ein einmaliges Erlebnis, durch das enge Tal des Baches Lößnitz mit max. 25 km/h zu fahren. Immer wieder kommen dunkle Rauchwolken mit Kohlenstaub vermischt aus dem Schornstein.
Die Augen bekommen so manches Körnchen auf die Netzhaut, aber dafür genießt man ja auch die Fahrt „oben ohne“. Die Bahnhöfe unterwegs haben die Namen Lößnitzgrund, Friedewald und Bad Friedewald und dann kommt schon Moritzburg – das sind 29 Minuten.
Nach dem Auftieg kommt eine Hochebene mit einer Seenlandschaft vor Moritzburg. Vor 14 Jahren war diese Seenlandschaft schwierig zu überbrücken, man ließ das Wasser sogar ab, um einen Damm zu bauen. Moritzburg ist erreicht, die Dampflok wechselt von vorne nach hinten an das andere Ende des Zuges. Die Weichen für die Rangieren werden von den Schaffnerinnen erledigt, das erfordert schon etwas Kraftanstrengung
Die Fahrt mit einem historischen Dampflokzug ist ein Erlebnis – da drückt man schon mal ein Auge zu, um den „umweltbelastenden“ Feinstaub zu entgehen. Und eine Dampflok verliert schon mal Öl, das sich in den Schienen sammelt – auch das muss wohl hingenommen werden.
Inbetriebnahme vor 140 Jahren
Industriezeitalter – die Dampfmaschine wurde 1769 erfunden und es entstanden Industriezentren. Es gab aber noch keine Automobile und so mussten Eisenbahnstrecken gebaut werden – die erste Eisenbahn fuhr bekanntlich von Fürth nach Nürnberg im Jahr 1835. Danach überschlugen sich förmlich die Neubauten von Eisenbahnstrecken, so auch die Strecke von Leipzig nach Dresden im Jahr 1839, die als erste deutsche Fernstrecke mit einer Länge von 120 km galt.
Als Folge sollten Güter und Personen an die Hauptstrecke gebracht werden und so wurden Schmalspurbahnen gebaut mit einer Spurbreite von 760 mm (Spurweite der Hauptbahnen 1435 mm). Eine dieser Schmalspurbahnen war die Lößnitzgrundbahn, die 1884 fertiggestellt wurde und in diesem Jahr 140 Jahre alt wird.
Heute werden keine Güter mehr befördert. Die ausrangierten Güterwagen und auch Loks sind aber technisches Welterbe und werden auf dem Bahnhof Radebeul Ost abgestellt.
Stilllegungspläne und wie es weiter geht
Der Güterverkehr mit Lastkraftwagen machte die Schmalspurbahnen in Sachen und auch anderswo überflüssig und sie konnten nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden.1964 beschloss der Ministerrat der DDR die Stilllegung aller Schmalspurbahnen bis 1975. Doch das funktionierte beispielsweise mit der Lößnitzgrundbahn nicht, weil der Ersatzverkehr mit Bussen im engen Lößnitzgrund nicht möglich war.
Der gesellschaftliche Umbruch im Osten Deutschlands nach dem Mauerfall am 9. November 1989 brachte erheblich Veränderungen für den Betrieb der Lößnitzgrundbahn. So wurde am 31. Mai 1991 der reine Güterverkehr mit Ganzzügen eingestellt, die restlichen Frachten wurden mit den Regelzügen mitgenommen. Eine neue Situation entstand mit der Gründung der Deutschen Bahn AG 1994. Der neue Eigentümer strebte eine schnelle Stilllegung oder eine Privatisierung der defizitären Strecke an.
Es kam tatsächlich zu einer Abspaltung von der DB AG, die Schmalspurbahnen wurden aber weiterbetrieben. Es gab verschiedene Eigentümer und immer wieder stand das Thema Einstellung des Betriebes an. Die heutige Eigentümerstruktur wurde 2007 gegründet, Eigentümer der Lößnitzgrundbahn und anderer Schmalspurbahnen ist die Sächsische Dampfeisenbahngesellschaft (SDG). Finanziell wird die SDG vom Land Sachsen unterstützt.
140 Jahre Dampflok auf der Strecke von Radebeul nach Radeburg über Moritzburg – das wird hoffentlich noch lange ein Erlebnis für die Nachwelt bleiben.
Klaus Ridder