//Strategiewechsel: Autokonzerne wenden sich von Mobilitätsdienstleistungen ab

Strategiewechsel: Autokonzerne wenden sich von Mobilitätsdienstleistungen ab

Jahrelang erklärten die Autohersteller landauf, landab, sie wollten sich zeitgemäß zu Mobilitätsdienstleistern entwickeln. Damit scheint nun Schluss zu sein, Autohersteller bleiben nun wohl doch weiterhin Autohersteller. Das legt eine vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach erstellte Marktuntersuchung nahe.

CAM-Leiter Stefan Bratzel, der die Studie in Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Telekommunikationsunternehmen Cisco durchführte, stellt fest, daß es den Autokonzernen nicht gelungen sei, „sich zu erfolgreichen multimodalen Mobilitätsdienstleistern zu transformieren“. Nach hohen Verlusten durch verschiedene Engagements überließen sie das Feld nun weitgehend den spezialisierten Unternehmen „und fokussieren sich auf das Kernprodukt Auto“. In ihrer Arbeit analysierten Stefan Bratzel und Kollegen Entwicklungstrends von Mobilitätsdienstleistungen in den wichtigsten globalen Marktregionen der vergangenen Jahre. Sie merken an, dass von der ursprünglichen Euphorie „nur noch wenig übrig“ sei. Nachdem die Autobauer im ersten Schritt bereits auf dem Markt agierende Mobilitätsdienstleister übernommen oder eigene Tochtergesellschaften gegründet hatten, mussten sie über mehrere Jahre hinweg hohe Verluste mit Mikromobilität, Fahrdienstvermittlung und anderen Diensten einstecken.

Beispiel Carsharing. Aus dem anfänglichen Enthusiasmus für das „geteilte Auto“ ist laut Studie ein „allgemeiner Rückzugstrend“ geworden, in dessen Verlauf sich insbesondere die ursprünglichen Antreiber dieser Entwicklung, BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen, ihr Engagement reduziert haben. So wurde der gemeinsam von BMW und Mercedes-Benz geführte Anbieter „Share Now“ verkauft, und auch Volkswagens stieß „We Share“ ab.

Deinvestoren

Die drei deutschen Automobilkonzerne werden von Stefan Bratzel zu den „Deinvestierern“ gezählt, auch wenn sie trotz des Rückzugs immer noch starke Positionen im Markt behaupten. So liegen Mercedes und BMW mit der gemeinsam betriebenen Vermittlungs- und Multimodalitätsplattform „Free Now“ im weltweiten Vergleich der Servicestärke immer noch auf den Plätzen zwei und drei. Die Stuttgarter waren vor vier Jahren noch doppelt so aktiv im Markt wie der Zweitplatzierte. Einen Knick nach unten erfuhr ihr Engagement 2021, als sie ihr stationsbasiertes Carsharing in China einstellten. Dennoch liegt Mercedes mehr oder weniger deutlich vor BMW und Volkwagen, nicht zuletzt weil das Unternehmen mit dem Stern im Logo zusammen mit dem Autobauer Geely den Premium-Chauffeursdienst „Star-Rides“ in China betreibt.

Stagnierer und Expandierer

Neben den drei deutschen Deinvestoren gibt es die zweite Gruppe der „Stagnierer“, die ihre Tätigkeit bei den Mobilitätsdienstleistungen seit Jahren weitgehend auf einem niedrigen Niveau halten. Dazu rechnet das CAM den französischen Renault-Konzern, den aus Japan stammenden Weltmarktführer unter den Autobauern, Toyota, und den südkoreanischen Autokonzern Hyundai.

Die dritte Gruppe ist die kleinste. Dabei handelt es sich um die „Expandierer“, am deutlichsten agiert hier Stellantis. Der US-amerikanisch-italienisch-französische Vielmarkenkonzern lässt „Share Now“ nach dem Verkauf durch BMW und Mercedes mit „Free2move“ verschmelzen, um eine umfassende Mobilitätsplattform auf die Beine zu stellen. Dadurch führt der Konzern das Feld der weltweiten Mobilitätsdienstleistungen unter den Autobauern mit großem Abstand an.

Auch General Motors (GM) aus den USA baut die Tätigkeiten eher aus. Erwähnenswert ist das erstmalige kommerzielle Angebot an automatisierten Fahrdiensten, das die Tochtermarke „Cruise“ seit August in San Francisco anbietet. GM steht in der Gesamtplatzierung derzeit auf Rang fünf.

„Grundsätzlich ist der ‚Hype’ rund um integrierte Mobilitätsdienstleistungen längst verflogen“, resümiert Bratzel die Ergebnisse der CAM-Untersuchung. Das liegt an der geringen Begeisterung der Verbraucher, die man anfangs offenbar überschätzte, aber auch an Inflation, beginnender Konjunkturflaute und dass die Autohersteller ihre finanziellen Mittel auf die Investitionen in die Transformation konzentrieren müssen.

Kristian Glaser (kb)
Foto: Stellantis