//Müllers Kolumne: Brummipiloten ernst nehmen

Müllers Kolumne: Brummipiloten ernst nehmen

Die Kraftfahrerkreise in Deutschland, eine private Initiative besonders engagierter Berufskraftfahrer, hat im Juli ein als „Positionspapier“ bezeichnetes Statement öffentlich herausgegeben. Der Inhalt ist gleichermaßen brisant wie aufrüttelnd. Im Zentrum stehen die Arbeitsbedingungen und die Verkehrssicherheit. Daher soll es im Folgenden kritisch bewertet werden.

Erst der Kodex, dann die Forderungen

Es ist absolut ehrenwert und vorbildlich, dass die Berufskraftfahrer (BKF) ihre politischen Forderungen durch einen Ehrenkodex begleiten. Bereits dessen Einleitungssatz ist beachtlich, zeigt er doch eine berufsethische Grundlage, die ihresgleichen in anderen Kraftfahrerkreisen wohl selten finden dürfte: „Echte Berufskraftfahrerinnen und -Fahrer haben Berufsehre und Stolz! Sie treten ihre Branche nicht mit Füßen, sondern zeigen auch nach außen hin Sachverstand, Können und Menschlichkeit.“

Die Unterteilung des Kodex in die drei Teile „Auf der Straße“, „Bei der Kundschaft“ und „Unter den Fahrern“ ist praxisnah und gerade der erste Teil ist für die Verkehrssicherheit inhaltlich bemerkenswert gut gelungen.

Die Forderungen

Es ist vollkommen legitim, wenn BKF an den Beginn ihrer Forderungen den Wunsch nach einer durchdachten und funktionsfähigen Infrastruktur hegen. Schließlich ist ein Rast- oder Parkplatz, der zweckmäßige und nicht unbedingt, aber wünschenswert, komfortable Bedingungen bietet, das A und O um die körperlich, geistig und seelisch aufbauenden Ruhezeiten zu verbringen. Wozu zahlt man denn als Transportunternehmen die Kraftfahrzeugsteuer, wenn diese nicht in gute Rahmenbedingungen investiert wird? Vielleicht könnte es ja hilfreich sein, wenn diese 9,4 Milliarden Euro nicht in den allgemeinen Staatshaushalt fließen, sondern zu 100 Prozent in die Straßeninfrastruktur zurückfließen würden?

Die Forderung einer Absenkung der Promillegrenze für gewerblich genutzte Kraftfahrzeuge sowie für Fahrzeuge zur Personenbeförderung auf 0,0 Promille ist ebenso wegweisend wie diejenige nach einem verpflichtenden Einbau von Alkohol-Wegfahrsperren. Diese wüden die BKF dazu verpflichten, vor Fahrtantritt erst zu pusten und nur bei reinem Atem starten zu können. Freilich müsste eine solche, absolut sinnvolle Forderung von einer europapolitischen Initiative begleitet werden, um auch das Problem mit zahlreichen osteuropäischen BKF zu lösen, wo der eine oder andere oftmals einem übermäßigen Alkoholkonsum frönt.

Bei den Vorschriften der StVO sprechen sich die BKF mit guten Gründen für die Abschaffung des Tempolimits von 60 km/h für Fahrzeuge über 7,5 Tonnen zulässiger Gesamtmasse aus, das außerhalb geschlossener Ortschaften besteht. Sinnvoller wäre es in der Tat, dieses Limit auf 80 km/h anzuheben, um gefährliche und oft unnötige Überholvorgänge auf Landstraßen zu vermeiden.

Auch der Vorschlag, bei der Planung von Baustellen mindestens zwei Kilometer vor einer Baustelle ein Überholverbot für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen zulässiger Gesamtmasse einzuplanen, ist sehr sinnvoll für die Aufrechterhaltung des Verkehrsflusses. Bemerkenswert ist dabei, dass sich die BKF dadurch zum Wohl aller Verkehrsteilnehmer selbst begrenzen wollen, was ihre Kompromissbereitschaft beweist.

Im Arbeits- und Sozialrecht sowie dem Wettbewerbsrecht sind altbekannte Töne zu hören, die immer noch einer Umsetzung harren, was, gelinde gesagt, skandalös ist. Zu offenkundig ist das nur europapolitisch zu lösende Problem des Sozial-Dumpings, das mit der wochen- und monatelangen Abwesenheit vornehmlich osteuropäischer Fahrer von ihren Familien einhergeht.

Da auch die zahlreichen Wettbewerbsverstöße auf der Hand liegen und sattsam bekannt sind, ist die zentrale Forderung aus diesem Bereich die Stärkung des Kontrollpersonals beim Bundesamt für Güterverkehr. Dabei darf aber auch gerne die Mitverantwortung der Bundesländer erwähnt werden, deren qualifiziertes Kontrollpersonal seit Jahren unter Altersschwund leidet. Nur wenige junge Polizeibeamte können aktuell dafür begeistert werden, um sich als Spezialisten für die Überwachung des Güterkraftverkehrs ausbilden zu lassen. Zu unattraktiv ist in manchen Ländern die Stellen- und Beförderungssituation für das Kontrollpersonal bei dieser komplexen und einem schnellen Wandel der verkehrsrechtlichen Voraussetzungen unterworfenen Tätigkeit.

Der Hinweis der BKF, dass Verkehrsverstöße, die im Inland begangen wurden, im Ausland weder konsequent verfolgt noch geahndet werden, befindet sich auf der Höhe der Zeit und beweist einmal mehr, dass sowohl das Personal in den Verkehrsbehörden als auch die verantwortlichen Verkehrspolitiker noch ein gutes Stück unterstützender Arbeit vor sich haben, um den Verkehr nicht nur sicherer, sondern auch gerechter zu gestalten.
Abschließend ist auch die Werbung in eigener Sache zu verstehen und komplett zu unterstützen, wenn es darum geht, das Ziel, Fahrernachwuchs kreativ zu gewinnen und gezielt zu fördern nicht aus den Augen zu verlieren.

Fazit

Berufskraftfahrer sind weder willenlose Vollziehungsgehilfen ihrer Chefs, noch Fahrpersonal, auf das manche Kunden mitleidig herabsehen dürfen. Sie sind vielmehr selbstbewusste Vertreter eines Standes, der für das Funktionieren unserer Gesellschaft unverzichtbar ist und daher zu Recht ihre eigene Berufswürde selbstbewusst vertritt.
Ihr Positionspapier ist ein inhaltliches Statement, das aufhorchen lässt und von Verkehrspolitikern in Bund und Ländern nicht nur zur Kenntnis genommen werden, sondern auch mit den Vertretern der Kraftfahrerkreise konstruktiv diskutiert werden muss. Allerdings sind der wohlfeilen Worte bereits genug gewechselt worden. Das Papier muss als Grundlage für konkrete Umsetzungspläne genutzt werden. Erst dann hat es seine Zielsetzung erreicht und seine prägnanten Inhalte können zu unser aller Wohl und Sicherheit dienen.

Weiterführender Link:
Positionspapier Kraftfahrerkreise Deutschland
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Bundesfinanzministerium Kraftfahrzeugsteuer
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Professor Dr. Dieter Müller ist Verkehrsrechtsexperte und Träger des Goldenen Dieselrings des VdM. An der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) lehrt er Straßenverkehrsrecht mit Verkehrsstrafrecht. Zudem ist er Gründer und Leiter des IVV Instituts für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten sowie unter anderem Vorsitzender des juristischen Beirats des DVR. An dieser Stelle kommentiert der Fachmann Aktuelles zu Verkehrsrecht und Verkehrssicherheit.

Foto: Alex Fox/Pixabay