Keine acht Monate vor dem geplanten Start ist die Internationale Automobilausstellung (IAA) noch nicht sicher. Stattfinden soll die größte Automobilmesse der Welt eigentlich vom 6. bis zum 12. September, erstmals in München. Mit einem geänderten Konzept und mit dem Wegzug aus Frankfurt am Main, wo die IAA seit 1953 alle zwei Jahre gastierte, hatte der Verband der Automobilindustrie (VDA) ursprünglich große Hoffnungen verbunden.
Unwägbar ist für die Ausstellungsmacher nun aber zum einen die weitere Entwicklung der Coronapandemie. Insbesondere wegen der Unsicherheiten bei der Virusmutationen möchte sich Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) nach eigener Aussage noch nicht auf Durchführung oder Absage der IAA festlegen, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“.
Das zweite Problem: Die Autohersteller halten sich mit ihrer Anmeldung zurück. Zwar sind die großen, quasi gastgebenden Konzerne aus Deutschland wie BMW, Daimler und Volkswagen mit von der Partie. Aber bereits bei Opel und dem dahinterstehenden PSA- beziehungsweise neuerdings Stellantis-Konzern mit Peugeot, Citroën, Fiat, Chrysler, Jeep, Maserati und weiteren Marken hapert es. Nach derzeitigem Stand könnten auch Renault-Nissan-Mitsubishi und Tesla fehlen. Auch wenn Gespräche noch geführt werden: Der IAA droht das Internationale abhanden zu kommen.
Für den Weggang der IAA aus Frankfurt hatte sich der VDA als Alleinausrichter kurz nach der letzten Ausstellung vor zwei Jahren entschieden. Die war aus Sicht der Autoindustrie ein Misserfolg geworden. Große Demonstrationen und Protestaktionen von Umwelt- und Klimaschutzorganisationen während der Messetage hatten die vielen ungelösten Probleme und die Skandale gebündelt ins öffentliche Bewusstsein gerückt und die verunsicherte Branche schlecht aussehen lassen. Hinzu kamen noch stark gesunkene Besucherzahlen. In der Folge entschieden sich die VDA-Verantwortlichen, den bisherigen Ansatz zu überarbeiten und die IAA in die bayerische Landeshauptstadt zu verlegen. Bis dahin wurden „IAA“ und „Frankfurt“ oft synonym verwandt.
Mehr Dialog mit der Bevölkerung
Die neue IAA soll keine reine Auto- und Technologieschau auf einem abgeschlossenen Messegelände mehr sein. Künftig will sich die Branche stärker gegenüber der Stadt und der Bevölkerung öffnen, auch mit Kritikern in den Dialog treten und zeigen, wie sie sich den Verkehr von morgen vorstellt. Beispielsweise soll es in München Testfahrten mit automatisierten Fahrzeugen geben und das Zusammenspiel von Auto, ÖPNV und Infrastruktur „erlebbar“ gemacht
werden. Diese konzeptionelle Erweiterung zu einer Mobilitätsplattform wirkt sich auch auf den offiziellen Namen aus: Die „IAA“ heißt nun „IAA Mobility“. Als Ausrichter tritt zum VDA die Messe München hinzu, zu deren Gesellschaftern das Land Bayern und die Stadt München gehören.
Neben den traditionellen Präsentationen der Aussteller in Messehallen wird die IAA zusätzlich auf öffentlichen Plätzen der Stadt stattfinden und ausdrücklich mit freiem Zugang, um einem breiten Publikum alternative Mobilitätskonzepte vorzustellen. Dieser offene Ansatz könnte allerdings mit den Erfordernissen zur Regulierung der Pandemie in Konflikt geraten. Die Rückkehr zu einer IAA ausschließlich in Messehallen, wie es in Frankfurt war, lehnt Oberbürgermeister Reiter bereits jetzt ausdrücklich ab. Messe-Manager Tobias Gröber bekräftigt, das Programm vollständig umsetzen zu wollen, „teils digital, teils in physischer Präsenz mit entsprechenden Hygienekonzepten“. Dabei will sich die Stadtverwaltung die Erfahrungen mit einer großen Veranstaltungsreihe im vergangenen Sommer zunutze machen, die trotz Corona erfolgreich verlaufen sei.
Paralleler Kongress zur IAA
Vortrieb für die IAA Mobility 2021 kommt auch vom Stadtrat mit grün-roter Mehrheit. Der beschloss kürzlich einen parallel zur IAA stattfindenden Mobilitätskongress mit dem Schwerpunkt auf dem Fußgänger-, Fahrrad- und öffentlichen Nahverkehr. Seitens der lokalen Umweltverbände wurde bereits erklärt, die Zeit der erhöhten internationalen Aufmerksamkeit während der IAA für die Vorstellung eines Konzepts zur autoarmen Altstadt nutzen zu wollen. Damit sind politische Spannungen über die unterschiedliche Gewichtung der Mobilitätsschwerpunkte auch in München vorprogrammiert.
Der VDA hält nach Aussage seines Geschäftsführers Jürgen Mindel den Wechsel nach München und die Neukonzipierung der IAA nach wir vor für richtig. Sollten sich aber zuwenig Hersteller anmelden, könnte die IAA auf 2022 verschoben werden. Die Entscheidung will der VDA rund um Ostern treffen. Die Stadt will sich im Juni festlegen.
(Olaf Walther/kb/bic)
Foto: Chris-C/Pixabay