Täuscht der Eindruck, oder wird das Angebot an Fahrzeugen und Modellvarianten tatsächlich dünner? Dass der traditionsreiche „Katalog der Automobil-Revue“ innerhalb eines Jahres, von 2018 auf 2019, im Umfang von gut 700 auf 370 Seiten abspeckte, war noch den Tatsachen geschuldet, dass in einem Relaunch der französischsprachige Teil über Bord geworfen und zudem ein neues Layout gewählt wurde. Aber mit jetzt 320 Seiten ist die Ausgabe 2020 erneut dünner geworden. Möglicherweise hängt das damit zusammen, dass viele Kleinst- und Kleinwagen von der Bühne verschwunden sind (allein Opel hat mit dem Adam und dem Karl gleich zwei Baureihen eingestellt), und bei zahlreichen Modellen anderer Hersteller wurde die Motorenvielfalt heftig zusammengestrichen.
„Die CO2-Emmissionsvorschriften der EU lassen grüßen“, bringt es „Automobi-Revue“-Redakteur Michael Schenk im „Katalog“-Editorial auf den Punkt. Die Kampfansage aus Brüssel verlangt bereits in diesem Jahr von den Automobilherstellern, eine CO2-Grenze von 95 g/km einzuhalten, ansonsten drohen ab 2021 horrende Strafzahlungen. Als Folge müssen sich die Ingenieure um völlig andere Bereiche kümmern: Statt die ohnehin schon sehr umweltfreundlichen und sparsamen Diesel- und Benzinmotoren weiterzuentwickeln, sind die Fachleute gezwungen, sich um Elektroautos und Hybride mit und ohne Steckdosenanschluss zu kümmern, auch wenn diese Antriebsarten von der Politik mit völlig unrealistischen Bonuspunkten hochgepusht werden. Dabei sind sich die Experten längst darüber im Klaren, dass bei Berücksichtigung aller Komponenten ein Elektromobil bei weitem nicht den klimarelevanten Stellenwert besitzt, der ihm gern zugeschrieben wird.
Zum Glück dient die Fülle der technischen Daten des aktuellen Katalogs nicht der Augenwischerei. Hier werden knallharte Fakten und Zahlen über rund 3.500 Automodelle von mehr als 150 Marken präsentiert: Motordaten, Motorkonstruktion, Karosserie, Gewichte, Kraftübertragung, Chassis, Fahrwerk, Dimensionen und Fahrleistungen. Warum sich aber ausgerechnet die für ihre Detailtreue und Präzision bekannten Schweizer nach wie vor dagegen sträuben, bei den Abmessungen die von praktisch allen Herstellern zur Verfügung gestellten vierstelligen Millimeterangaben zu übernehmen, bleibt ein Rätsel.
Dafür haben die Blattmacher auf die Kritik an der Druckqualität der Bilder in der letzten Ausgabe reagiert. Hier ist es nun gelungen, zu den ansprechenden Motiven in brillanter Wiedergabe zurückzukehren, wie man es bislang von den Schweizer Journalisten gewohnt war.
Fachlich interessant sind auch die redaktionellen Beiträge, wobei dem Schreiber dieser Zeilen (und womöglich auch dem Leser mit Benzin im Blut) die Aussichten auf das sogenannte autonome Fahren oder den fahrerlosen Lastwagen den Lebenssaft in den Adern gefrieren lassen.
(Katalog der Automobil Revue 2020. Herausgegeben von der Automobil Revue AG (Bern/Schweiz). 320 Seiten mit rund 900 Bildern. Format 29,5 x 22,5 cm, broschiert, in deutscher Sprache. Stuttgart: Motorbuch-Verlag 2020. ISBN: 978-3-613-30917-3. 49 Euro.)
Thomas G. Zügner (kb)
Foto: Automobil Revue