//ams-Kogress: In der Elektromobilität liegt die Zukunft

ams-Kogress: In der Elektromobilität liegt die Zukunft

Bereits zum zehnten Mal beschäftigte sich der Auto Motor Sport Kongress mit der Mobilität der Zukunft. Im ausverkauften Internationalen Congresscenter Stuttgart (ICS) diskutierten Hersteller, Zulieferer und Wissenschaftler künftige Mobilitätslösungen. Im Vordergrund standen dabei die Themen Elektromobilität und autonomes Fahren.

„Wir müssen die Welt bewegen, ohne die Erde zu verbrauchen.“ Auf diesen knappen Nenner brachte Dr. Ulrich Spiesshofer, Vorsitzender der Konzernleitung der ABB Group, das Kongressthema in seiner Keynote. Ähnlich argumentierten alle Referenten und machten deutlich, dass die Mobilität der Zukunft in jedem Fall umwelt- und ressourcenschonend, mit weniger und schließlich Null Emissionen sowie sicherer und unfallfrei sein werde. Im Gespräch mit den Chefredakteuren von Auto Motor Sport, Birgit Priemer und Ralph Alex, sagte Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche allerdings auch, dass die Herausforderungen der künftigen Mobilität ihren Preis haben: „Die Mobilität wird teurer werden. Unsere Aufgabe ist es, den Anstieg zu begrenzen.“ Die Autoindustrie sei jetzt gefordert, hohe Investitionen in die Zukunft zu leisten, obwohl noch gar nicht klar sei, wo künftig das Geld zu verdienen ist. Angesicht der neuen Player aus der IT-Industrie, die in den Mobilitätsmarkt drängen, müsse sich zeigen, wie sich die traditionelle Autoindustrie zurechtfindet.

Auch für Zetsche ist die E-Mobilität der schnellste Weg, die geforderte Umweltfreundlichkeit zu erreichen. Schon heute sei es möglich, mit einem Elektrofahrzeug 90 Prozent der typischen „User-Fälle“ abzudecken. Problematisch sei jedoch, dass die Kosten im Vergleich zum herkömmlichen Antrieb zu hoch sind und auch der CO2-Footprint des Elektroantriebs noch nicht zufriedenstellen ist. Zetsche sieht daher verschiedene Strategien, die parallel verfolgt werden. Kurzfristig werde man mit optimierten Verbrennern, die mit 48-Volt-Bordnetzen ausgerüstet sind, die strengeren Emissionsziele erreichen. Dazu müssen die E-Antriebe kommen. Für Busse und eventuell auch Lkw sei auch die Brennstoffzelle eine Option, weil hier die Wasserstoff-Betankung etwa im Busdepot möglich ist. Die Zeit drängt, denn: „Wenn wir uns nicht schnell wandeln, werden wir obsolet.“

Ernüchterung dagegen beim Thema autonomes Fahren: „Je mehr man sich damit beschäftigt, desto größer werden die Aufgaben“, sagte der Daimler-Chef. „Das wird länger dauern, als wir uns das vor einiger Zeit vorgestellt haben.“ Bis zur Serienreife seien noch eine ganz Reihe von Testbetrieben nötig. Außerdem müsse die gesellschaftliche Akzeptanz der Technik sichergestellt sein. Da sei es gut, Schritt für Schritt auch in der Gesetzgebung vorzugehen.

Prof. Dr. Peter Gutzmer, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Schaeffler AG plädierte zudem für intermodale Mobilitätslösungen. Ziel sei eine CO2-neutrale, nachhaltige Mobilität. Die Städte werden dazu Spuren für unterschiedliche Mobilitätsträger einrichten. Auch er ist der Ansicht, dass es noch längere Zeit hybride Antriebslösungen geben wird. Aber auch nur auf die Batterietechnik zu setzen, hält er nicht für zielführend. E-Antriebe seien gut für kurzfristige Lösungen. Ab 2030 werde zusätzlich Wasserstoffantrieb kommen. Aber auch Verbrennungsmotoren werden noch für lange Zeit genutzt werden, dann aber mit synthetischen oder Bio-Kraftstoffen. Zudem sind intelligente, vernetzte Mobilitätslösungen gefragt, und da sei die Hardware immer weniger wichtig. Der Handy-Markt zeige diese Entwicklung in ähnlicher Weise. Auch hier steht die Software im Vordergrund mit Apps und praktischen Funktionalitäten. Für die klassische Autoindustrie sieht Gutzmer ähnliche Gefahren, wenn weniger das Auto als vielmehr die Nutzer-Erfahrung, und Assistenzsysteme für die Verbraucher im Vordergrund stehen. Mit seinem Moover-Konzept will Schaeffler dazu moderne Mobilitätskonzepte ausprobieren.

Professor Dr. Günther Schuh, Vorstandsvorsitzender der e.GO Mobile AG, präsentierte einmal mehr sein Konzept eines bezahlbaren Kleinwagens mit E-Antrieb. Knapp 20.000 Euro kostet sein e.Go in der 60 kW Version, der ab Mai lieferbar ist. Derzeit gebe es etwa 50 e-Auto-Typen auf dem deutschen Markt, kurzfristig kommen etwa 120 Modelle dazu. „Aber es fehlen die Kunden!“ Eine erhebliche Kostenreduzierung sei bei den Batterien in den nächsten zehn Jahren wohl nicht zu erwarten, schätzt Schuh. „Und eine staatliche Förderung kann auch keine Lösung sein.“ Seinen e.Go sieht er als Ausweg an, preiswert produziert mit Alurahmen und Kunststoffbeplankung und inzwischen auch von den Versicherungen in der günstigen Klasse 13 eingestuft. Nächstes Projekt des findigen Selfmade-Unternehmers soll ein e.Go-Kleinbus sein, der für On-Demand-Services eingesetzt werden könnte.

Für den schon genannten ABB-Chef Dr. Ulrich Spiesshofer erleben die Automobilindustrie und die Transportsysteme derzeit einen „Kodak-Moment“. Die Mobilität wandelt sich wie einst die Filmindustrie vom Film zur Digitaltechnik. Vier zentrale Aufgaben seien für die Industrie jetzt zu bewältigen: Erstens müssen in kurzer Zeit viele neue E-Modelle mit akzeptabler Reichweite auf den Markt gebracht werden. Zweiten muss eine flächendeckende Ladeinfrastruktur, auch mit Schnellladestationen aufgebaut werden. Hier sieht sich ABB selbst als Marktführer. Drittens müssen die Netze die Ladekapazitäten leisten können. Der dafür nötige Netzausbau werde derzeit noch unterschätzt. Und viertens macht all das nur Sinn, wenn der Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Technisch, so Spiesshofer, sind alle vier Bausteine gelöst. Nur an der Umsetzung hapert es noch.

Zudem sind neue Lösungen gefragt. „Die meisten Fahrzeuge sind heute Stehzeuge“: 90 Prozent der Zeit stehen sie in der Garage oder auf dem Parkplatz. Hier bieten sich Shared-Konzepte an. Auch könnten E-Autos in die Energieversorgung eingebunden und als Elektrospeicher genutzt werden. Zudem gelte es, die Batterieproduktion umweltfreundlicher zu gestalten und das Recycling sicher zu stellen. Schnelllademöglichkeiten schließlich werden in der Zukunft Reichweitenbegrenzungen unwichtiger machen.

Das Thema Reichweite griff anschließend auch Dr. Jörg Rheinländer, Vorstandsmitglied der Huk-Coburg auf. Der Versicherer hat über seine Telematik-Tarife zwischen Januar und August 2018 das Fahrverhalten seiner Versicherten bei 25 Millionen Fahrten untersucht. 83 Prozent fuhren an keinem Tag mehr als 500 Kilometer und 47 Prozent fuhren an keinem Tag mehr als 250 Kilometer. Sein Fazit: Die E-Autos sind mit ihrer Reichweite schon heute alltagstauglich.

Auch Dr. Elmar Degenhart, Vorstandsvorsitzender der Continental AG, sieht die Branche 130 Jahre nach der Ausfahrt von Berta Benz in einem disruptiven Prozess. Die Entwicklung des autonomen Fahrens ist für ihn dabei weniger wichtig. Außer als Robo-Taxis sieht er hierfür mittelfristig wenig Anwendungsbedarf. Dringlich seien dagegen Entwicklungen in Vernetzung und Cloud-Technologie sowie alternative Antriebe. Das werde sich in der künftigen Umsatzaufteilung in der Autoindustrie niederschlagen. In den 1990er Jahren machten bei Neuwagen noch 95 Prozent des Umsatzes die Hardware, also das Auto selbst aus. Auf Software entfielen lediglich fünf Prozent. Inzwischen hat sich der Softwareanteil auf zehn Prozent verdoppelt. Bis 2030 werden der Umsatzanteil der Software auf 30 Prozent steigen, darunter mehr als die Hälfte für Software-as-a-Service-Lösungen. Dann werden Hochleistungsrechner in den Fahrzeugen verbaut sein, die die vielen Assistenzsysteme zu steuern in der Lage sind. Derzeit jedoch, so Degenhart, verfügt die Autoindustrie noch nicht über ausreichende Software-Kompetenz. Andererseits dränge die IT-Industrie in die Autoindustrie. Denen aber fehle die Automobilkompetenz. Wer kann das Defizit schneller ausgleichen?, sei die wichtige Frage. Auch eine optimistische Prognose hatte der Conti-Chef parat: 2030 werde der letzte herkömmliche Verbrenner in Serie gehen. Ab 2040 werde kein Verbrenner mehr produziert. Dann werden nur noch Fahrzeuge mit Batterieantrieb, mit Brennstoffzelle oder angetrieben mit synthetischen Kraftstoffen hergestellt werden. Ab 2050 schließlich werde es den CO2-freien Straßenverkehr geben.

Dr. Dirk Walliser, Senior Vice President Corporate Research & Development bei ZF, nahm in seinem Vortrag die künstliche Intelligenz (KI) in den Fokus. Ohne KI sei die Mobilität der Zukunft nicht denkbar. Künstliche Intelligenz werde inzwischen überall eingesetzt. In der Entwicklung etwa spare KI enorm viel Zeit und sei beispielsweise für virtuelle Testfahrten nutzbar. Auch für vorausschauende Wartung werde sie eingesetzt. Durch KI werden Systeme immer besser. Seit 2015 etwa sei die Objekterkennung in Bildern mit einer Fehlerquote von 5,1 Prozent auf menschlichem Niveau. Heute liege die Fehlerquote der KI bereits bei nur noch 2,3 Prozent. Bei der Spracherkennung habe KI das menschliche Niveau 2017 erreicht. Auch Walliser geht davon aus, dass Fahrzeuge künftig effektiver genutzt werden. So werde die Anzahl verkaufter Pkw und leichter Transportern bis 2023 weltweit von derzeit 93,8 Millionen nur noch leicht auf 103,9 Millionen Stück ansteigen. Dagegen werde sich der Umsatz mit Ride-Hailing, der Fahrzeugmiete bei Bedarf, von 58,9 Milliarden US-Dollar im Jahr 2018 auf 118,8 Milliarden Dollar in 2023 verdoppeln.

Im Gegensatz zur eher zurückhaltenden Bewertung des autonomen Fahrens bei den deutschen Wirtschaftsbossen führt für Robotik-Pionier und Aurora-Chef Chris Urmson kein Weg daran vorbei. In den USA, so sein Plädoyer, geben es 40.000 Verkehrstote pro Jahr, weltweit sind es 1,3 Millionen. 95 Prozent dieser schweren Unfälle seien auf menschliches Versagen zurückzuführen. Autonomes Fahren sorge für mehr Sicherheit im Straßenverkehr und führe zu deutlich weniger Unfällen. Auch Menschen mit Behinderungen oder Ältere bleiben so mobil oder auch der nervige Berufsverkehr können im autonomen Fahrzeug sinnvoller genutzt werden. Als Chefentwickler der Google Cars hatte Urmson 2009 erste autonome Fahrzeuge auf die Straße geschickt. Heute baut er mit seinem Unternehmen Aurora keine Autos, sondern entwickelt Software und Datensysteme für autonomes Fahren. Aber auch er schränkt ein, dass es für die Systeme nach wie vor ein Problem ist, vor allem in Grenzbereichen alle Objekte im Verkehr sicher zu erkennen.

so, Titelfoto: Motorpresse