kraftfahrt-berichter Redakteur Kristian Glaser stellt anlässlich der vorgezogene Bundestagswahl am Sonntag, den 23. Februar 2025, nachfolgend die automobil- und verkehrspolitischen Aussagen der jeweiligen Parteien in alphabetischer Reihenfolge vor: beginnend mit AfD, Bündnis 90/Die Grünen und BSW bis hin zu CDU/CSU, FDP, Linke und SPD.
Die automobile Welt und der Straßenverkehr werden immer facettenreicher, die Herausforderungen nehmen zu: vom anhaltend hohen Niveau an Schadstoffemissionen bis hin zu deftigen Energie- und Verbrauchskosten, von immer wieder verpassten Zielen bei der Senkung der Verkehrsopferzahlen bis hin zu bröckelnder Infrastruktur, von Staus auf der einen und Mobilitätswüsten auf der anderen Seite, von überfüllten Radwegen bis hin zu Stolperfallen auf den Bürgersteigen, von der Transformation der Industrie bis hin zur Krise der Automobilwirtschaft samt dem drohenden Verlust tausender Arbeitsplätze. Aus dieser komplexen Gemengelage haben sich die Parteien die aus ihrer Sicht wichtigsten Aspekte für ihr Wahlprogramm herausgesucht, um zur vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar 2025 die Wählerinnen und Wähler von ihren Grundpositionen, Analysen und Lösungsansätzen zu überzeugen.
AfD: „Zeit für Deutschland“ (177 Seiten)
Im AfD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2025 wird die Infrastruktur als eine Grundlage für eine „wettbewerbsfähige und zukunftssichere Industrienation“ bezeichnet. Nach eigener Aussage steht die „Alternative für Deutschland“ für eine „an den Bedürfnissen der Bürger orientierte Verkehrspolitik“ und wendet sich gegen die Bevorzugung oder Diskriminierung bestimmter Verkehrsmittel. Die Bürger müssten frei wählen können, und die Mobilität solle bezahlbar bleiben. Die AfD möchte den motorisierten Individualverkehr fördern. Die zum Teil als gesichert rechtsextremistisch eingestufte Partei lehnt regionale Fahrverbote ab, ebenso Tempo-30-Zonen auf Hauptstraßen und ein generelles Tempolimit auf der Autobahn. Hingegen befürwortet sie den Ausbau innerstädtischer Fahrspuren und von Parkraum sowie das Begleitete Fahren bereits ab 16 Jahren. Für mehr Verkehrssicherheit setzt die AfD auf Lkw-Überholverbote. Umweltschutz gelingt laut AfD durch intelligente und stauvermeidende Technik.
Die Schuld an der Krise der Automobilwirtschaft tragen der AfD zufolge eine „ideologiegetriebene ‚Klimapolitik’“ und „angeblich erneuerbare“ Energien. Weil aus Sicht der teils als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Partei der Klimawandel nicht menschengemacht ist und viel CO2 sogar gut sei für das Pflanzenwachstum und damit für die Welternährung, möchte sie den Ausbau der Kohlekraftwerke und den Wiedereinstieg in die Atomenergie durchsetzen. Die E-Auto-Technologien, namentlich die Batterie, die Brennstoffzelle und der Wasserstoff, könnten ohne staatliche Gelder nicht bestehen. Sie zu fördern, so die AfD Argumentation, sei weder marktwirtschaftlich noch technologieoffen. Deshalb werde die gesamte E-Mobilität „nicht benötigt“. Entsprechende Subventionen sollten „sofort“ gestoppt werden. Der „Fortbestand“ der deutschen Automobilwirtschaft hängt nach Ansicht der AfD vom Verbrennungsmotor ab.
Bündnis 90/Die Grünen: „Zusammen wachsen“ (160 Seiten)
Eine „über Jahrzehnte auf Verschleiß gefahrene“ Verkehrsinfrastruktur ist laut dem Wahlprogramm der Grünen zum „Schaden für Menschen, Wirtschaft und Umwelt“. Das Verkehrssystem müsse einen Beitrag für die Klimaziele leisten, dafür sei die Stärkung der E-Mobilität sowie von Bus und Bahn relevant. Mobilität wird von den Grünen auch als ein „Schlüssel zur sozialen Teilhabe“ verstanden. Das aus Sicht der Grünen gut ausgebaute Straßennetz müsse saniert, das Schienensystem erweitert werden, ebenso das Radwegenetz. Priorität solle dem ÖPNV, Fuß- und Radverkehr zukommen. Dadurch will man Staus und Luftverschmutzung reduzieren und für mehr Barrierefreiheit und Verkehrssicherheit sorgen. Auf Autobahnen soll aus Gründen der Sicherheit und des Umweltschutzes Tempo 130 gelten, auf Landstraßen soll Tempo 80 und innerorts Tempo 30 leichter eingeführt werden. Zur Verkehrsvermeidung setzen die Grünen auf „Co-Working“, das gemeinschaftliche Arbeiten von Freiberuflern und kleinen Unternehmen in gemeinsamen Räumen. Auch auf dem Land soll nach der Vorstellung der Grünen eine „alltagstaugliche Alternative zum Auto“ entstehen, beispielsweise durch Carsharing, Ruf- und vernetzte Kleinbusse als Ergänzung zum Taktverkehr. Parallel schlägt die aktuelle Regierungspartei eine „staatliche Unterstützung beim Erwerb eines verbrauchsarmen E-Autos vor“. Das soll auch die europäische Automobilwirtschaft ankurbeln. Dabei haben die Grünen Ladekarten für preisreduziertes Laden an öffentlichen Ladesäulen und „erschwingliches“ Pkw-Leasing im Sinn. Die Lkw-Maut wollen sie nutzen, um auch im Straßengüterverkehr eine Antriebswende zu erwirken.
BSW: „Unser Land verdient mehr“ (45 Seiten)
Das „Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit“ kennzeichnet in seinem Bundestagswahlprogramm das Auto als das „wichtigste Verkehrsmittel in Deutschland“. Die junge Partei will „Schluss machen mit der Autofeindlichkeit“ und dass Autofahren etwa durch „horrende Spritpreise“ immer teurer werde. Auch die „Abzocke an den Autobahnen“ durch einen Raststätten-Monopolisten lehnt das BSW ab. Jeder Mensch solle sein Fortbewegungsmittel wählen können, daher müsse Sprit preiswerter und der ÖPNV ausgebaut werden. Das BSW wendet sich gegen „Exzesse“ wie das Verbrennerverbot ohne „realistisches Konzept für eine klimaneutrale Stromversorgung“. „Statt blind auf E-Mobilität zu setzen“, will das BSW verschiedene Antriebstechnologien fördern, inklusive alternativer Kraftstoffe und „sauberer Verbrennungsmotoren“. Vorgeschlagen wird ein „Volksleasing“ nach französischem Vorbild. Dabei sollen CO2-arme Autos aus europäischer Produktion – Verbrenner wie Stromer – Gering- und Normalverdienern vergünstigt angeboten werden. Das verbessere die Mobilität auch auf dem Land, so das BSW. Außerdem würden Arbeitsplätze gesichert und mehr klimafreundliche Autos produziert werden.
Das BSW fordert Sanierung und Ausbau der Straßeninfrastruktur und will gleichzeitig den Verkehr auf die Schiene verlagern, beispielsweise durch mehr Güterzüge. Für ein entsprechendes Investitionsprogramm, das auch den Rad- und Fußverkehr verbessern soll, muss dem BSW zufolge die Schuldenbremse reformiert werden. Die Partei ist der Auffassung, dass die „weltweit anerkannte Automobilproduktion“ in Deutschland „fahrlässig zerstört“ werde. Als Ursachen werden eine Energiepolitik mit hohen Preisen, „unkalkulierbare Risiken“ durch schlechte Planung des Kohle- und Atomausstiegs sowie die Sanktionen gegen Russland ausgemacht. Ferner werden als Ursachen ein später Einstieg in die nationale Batterieentwicklung und -fertigung sowie die „zunehmende Macht von Finanzinvestoren“ genannt. Auch werden Konzerne wie VW kritisiert, die auf „maximale Ausschüttung“ orientiert seien, statt Gewinne zu reinvestieren, um „attraktive Modelle“ zu entwickeln. Staatlich subventionierte Unternehmen sollten daher in „innovationsfreundliche Stiftungsunternehmen“ mit starker Mitbestimmung umgewandelt werden, fordert das BSW.
CDU/CSU: „Politikwechsel für Deutschland“ (82 Seiten)
Die Christlich Demokratische Union (CDU) und die bayerische Christlich-Soziale Union (CSU) sagen in ihrem gemeinsamen Wahlprogramm „Ja zum Auto“. Gleichzeitig sollen die Menschen ihre Mobilität „frei wählen“ können, denn das sei der „Inbegriff von Freiheit“. Die Unionsparteien lehnen „Anti-Auto-Haltung, Fahrverbote für Innenstädte, das Umwidmen von Parkplätzen und ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen“ ab. Die Straßeninfrastruktur soll erhalten und ausgebaut werden. „Unser Ziel ist es“, betonen die christlichen Parteien, „Technologieführer beim autonomen Fahren und bei nachhaltigen Antrieben“ zu werden. Das Verbrennerverbot müsse „rückgängig“ gemacht und Strafzahlungen für Autokonzerne, deren verkaufte Pkw im Schnitt zu hohe CO2-Emissionen aufweisen (EU-Flottengrenzwerte), „verhindert“ werden. Neben der Elektromobilität soll es auch „E-Fuels, Wasserstoff und nachhaltige Biokraftstoffe“ geben. Für CDU und CSU muss „der Führerschein für junge Menschen bezahlbar sein“, weshalb Bürokratie abgebaut und die Ausbildung effizient gestaltet werden solle. Individualverkehr und ÖPNV gehörten „zusammen“ und seien mit einem auszubauenden Radverkehr zu verknüpfen. Der ÖPNV soll „bedarfsgerechter und zukunftsfester“ werden. Den Straßengütertransport planen CDU und CSU durch die Senkung des CO2-Preises zu entlasten. Versprochen wird zudem, eine „dauerhafte Finanzstabilität“ für die Infrastruktur zu gewährleisten, vor allem durch „Anreize für private Investoren“.
FDP: „Alles lässt sich ändern.“ (52 Seiten)
Die Freie Demokratische Partei möchte, dass „die Menschen in unserem Land individuell und bezahlbar mobil bleiben“. Ein „faires Miteinander aller Verkehrsteilnehmer“ erreiche man nicht durch Verbote, so die FDP, sondern „durch ausgewogene Regeln und gegenseitigen Respekt“. Die Partei wendet sich gegen ein generelles Tempolimit auf Autobahnen und spricht sich für eine „umgehende Aufhebung des faktischen Verbrennerverbots“ aus. Gleichzeitig sollen E-Fuels gefördert werden. Damit könnten, so behauptet die Freie Demokratische Partei, Benzin- und Diesel-Pkw „klimaneutral“ betrieben werden. Die Emissionsvorgaben will die FDP so überarbeiten, dass nicht nur die Abgase, sondern der gesamte Lebenszyklus eines Fahrzeugs berücksichtigt wird. Dafür sollen die EU-Flottengrenzwerte abgeschafft werden. Überhaupt zielt die FDP auf eine Abschwächung der Klimaschutzziele, damit für die Industrie mehr Zeit für die Umstellung bleibe. „Das stärkt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen, sichert Jobs und vermeidet milliardenschwere Subventionsprogramme“. Die FDP gibt an, das autonome Fahren „Alltag werden zu lassen“, indem alle Automatisierungsstufen – also bis hin zum fahrerlosen Auto – eine Zulassung erhielten. Der Führerschein soll unter anderem durch den Einsatz von Simulatoren günstiger werden. Führerschein und Fahrzeugpapiere sollen digital werden. „Zwangstests“ für Senioren weist die FDP zurück. Den ÖPNV betrachtet sie als „Ergänzung“ zum Individualverkehr. Das „Zusammenspiel“ verschiedener Verkehrsmittel sei der „Schlüssel zu einer flexiblen Mobilität“. Die Infrastruktur wird von den Liberalen als „Schlüssel“ für „Wachstum und Wohlstand“ begriffen. Ersatzneubauten, zum Beispiel Brücken, sollen künftig ohne Genehmigung errichtet werden können. Die Staus sollen durch „Anreize eines schnellen und fristgerechten Bauens“ minimiert werden. Erhalt und Neubau von Straßen und Brücken müsse „im Rahmen der Schuldenbremse“ erfolgen, dabei stellen die Liberalen eine „Öffnung für privates Kapital“ in Aussicht.
Die Linke: „Alle wollen regieren. Wir wollen verändern.“ (60 Seiten)
Die Linke steht laut ihrem Wahlprogramm für eine „konsequente Mobilitätswende“. Darunter versteht sie den Ausbau des ÖPNV, günstige Ticketpreise, „gute Verbindungen auch in der Nacht und im ländlichen Raum“ sowie die „Schaffung einer verkehrsträgerübergreifenden Infrastruktur“. Darunter versteht die Partei beispielsweise die ÖPNV-Anbindung einer jeden Ortschaft mindestens im Stundentakt, ergänzt durch Sammeltaxis und Bürgerbusse auch nachts. Die Partei verfolgt das Ziel, die Fahrgastzahlen im ÖPNV bis 2030 zu verdoppeln. Dafür hält sie mehr Personal mit höherer Bezahlung und besseren Arbeitsbedingungen für nötig. Privatisierte Nahverkehrsunternehmen möchte sie „in die öffentliche Hand zurückholen“ und „demokratisch organisieren“. Skeptisch ist sie gegenüber dem autonomen Fahren wegen „großer technologischer Herausforderungen sowie datenschutz- und haftungsrechtlicher Bedenken“.
Die Linke unterstützt den Umstieg auf das E-Auto. E-Fuels seien ungeeignet für den Autoverkehr, weil ineffizient, teuer und knapp. Der Gütertransport müsse auf die Schiene verlagert und durch regionale Wirtschaftskreisläufe reduziert werden. Deshalb seien mehr Gleisanschlüsse und lokale Logistikzentren wichtig. Lang- oder Oberleitungs-Lkw würden nicht benötigt. Die Arbeitsbedingungen von Berufskraftfahrern will die Linke verbessern, etwa durch gemeinwohlorientierte Raststätten. Die „Existenzkrise“ der Automobilindustrie in Deutschland werde mit massenhaftem Arbeitsplatzabbau beantwortet und gehe damit zu Lasten der Beschäftigten, kritisiert die Partei, während die Großaktionäre zuletzt von Milliardengewinnen profitiert hätten. Ursächlich für die Krise seien „Lobbyismus, Fehlplanungen und die falsche Produktstrategie“ sowie die „Weigerung von Autoindustrie und der Regierung, die Weichen Richtung Verkehrswende zu stellen“. Die Antwort der Linken: Rahmenbedingungen schaffen für den Umbau in Richtung „nachhaltige Mobilitätsunternehmen“ für individuelle Verbrennerfahrzeuge wie für „kollektive Verkehrsmittel“. Die E-Auto-Nachfrage plant die Linke unter anderem durch Quoten für Großbetriebe und eine sozial gestaffelte Kaufförderung zu verbessern.
SPD: „Mehr für Dich. Besser für Deutschland.“ (68 Seiten)
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands erklärt in ihrem Wahlprogramm: „Unser Anspruch ist und bleibt, dass alle Menschen auf dem Land und in der Stadt schnell, zuverlässig und komfortabel unterwegs sind.“ Zu erreichen sei das durch eine Verkehrswende in Richtung „nutzerorientierte und klimafreundliche Mobilität“, die „barrierefrei und bezahlbar“ ist. Das sichere und schaffe außerdem Arbeitsplätze, so die SPD. Die Infrastruktur müsse „wieder zu einem Standortvorteil für Deutschland“ werden, meint die Partei. Auch der Waren- und Gütertransport solle „reibungslos funktionieren“. Daher sorge die SPD dafür, dass der Verkehr von der Straße auf die Schiene gelenkt werde. Weil das Auto für viele Menschen „unverzichtbar“ sei, möchte die Kanzlerpartei den Umstieg auf das E-Auto „attraktiv“ gestalten, mit flächendeckendem Ladenetz und Schnellademöglichkeiten „an jedem Supermarktparkplatz und an jeder Tankstelle“, samt kontaktlosem, einheitlichem Bezahlsystem und ohne „hohen Preisaufschlag“.
Die SPD will ein vernetztes Radschnellwegenetz aufbauen und sich für die „faire Bereitstellung von Daten“ einsetzen, „um Mobilitätsangebote im ländlichen Raum zu stärken, Tickets zu vereinheitlichen und Mobilitätsdienstleistungen besser zu vernetzen“. Dabei achte die SPD auf die Einhaltung von Sozialstandards im Taxigewerbe. Dem Berufskraftfahrermangel beabsichtigen die Sozialdemokraten durch „menschenwürdige, faire und attraktive Arbeitsbedingungen“ zu begegnen. So soll die Lkw-Fahrerkabine unter den Schutz der Arbeitsstättenverordnung gestellt werden. „Die Zukunft des Autos liegt in der Elektromobilität“, erklärt die SPD. E-Fuels seien „nur für Spitzenverdiener“. Damit Deutschland ein „führendes Land“ im Fahrzeugbau bleibe, strebt die Partei an, dass „die deutschen Automobilhersteller aktuell keine Strafzahlungen“ wegen Überschreitung der CO2-Flottengrenzwerte leisten müssen. So würden Gelder frei, die für die Entwicklung klimafreundlicher Fahrzeuge und die Sicherung von Arbeitsplätzen genutzt werden könnten. Darüber hinaus verspricht die SPD niedrigere Strompreise und die Ankurbelung der E-Auto-Nachfrage durch steuerliche Vergünstigungen. Junge Gebraucht-Pkw und Leasingmodelle sollen einbezogen werden, damit auch Geringverdiener in den Genuss der Förderung gelangen.
Autor: Kristian Glaser (kb), Abbildung: pixabay / geralt